Drei Tage waren wir in Spianska Luka am Anker gehangen wie einbetoniert. Wir hatten so richtig spass daran gehabt, wie all die Charterboote rund um uns herum ständig neu Ankern mussten, um es unbeschadet durch den Sturm zu schaffen. Und dann kam die Stunde der Wahrheit.
Seit etwa Durres weigerte sich ja das Motörchen (Ankerwinsch), das normalerweise den Anker einholt, seinen Dienst zu tun. Dort hatten wir das erste mal den Anker von Hand einholen müssen. Was ziemlich anstrengend gewesen war, weil dort happigen Wellen das Manöver erschwert hatten. Aber das war ja heute nicht der Fall. In der Bucht lag das Wasser wie ein Spiegel.
Und nun ging es also darum, den Anker nach drei Tagen und mehr als 24 Stunden Sturm wieder aus dem Boden zu holen. Also machten sich Mister und Missus Cool an die Arbeit. Ich am Ruder, auf Skippers Anweisungen reagierend, Skipper als Winsch vorne am Bug.
Das klappte auch ganz gut, bis auf die letzten paar Meter Kette, die wollten einfach nicht. Und der Anker schon gar nicht. Da nützte alles Reissen und Zerren nichts. Wir führten einige Manöver durch, die man in dieser Situation halt so macht, aber nichts half. Immer aufmerksam und interessiert beobachtet von Sipans Bewohnern, die sich immer zahlreicher an der Mole einfanden.
Irgendwann wurde es Skipper One zu bunt und er stürzte sich erst in die Badehose und dann in die Fluten, um dem Anker mal ordentlich Bescheid zu sagen. Aber was er da sah, verblüffte sogar einen erfahreneren Seemann wie ihn…
Der Anker war weg! Nicht mal die Öse, an der man eine Leine hätte anmachen können war noch zu sehen! Ganz klar, der Anker hatte im Sturm Schiss bekommen und hatte sich tief unter den Boden vergraben. So ein kleiner Scheisser!
Skipper wieder schlotternd zurück an Bord. Skipper hat Geistesblitz. Wir befestigen eine Leine an der Kette und ziehen diese Leine über die Winsch am Mast und winschen den Anker mit der Winschkurbel hoch. Super!!
Nach drei Umdrehungen ist in der Leine ein Überläufer – sprich – die Leine hat sich so verknotet, dass gar nix mehr geht. Und die Leine ist so straff an die Ankerkette gespannt, dass wir die Leine nicht mehr lösen können. Na Bravo!
Was nun?!? Skipper too hat einen Geistesblitz! Wir verknoten eine andere Leine VOR der festgefahrenen Leine an der Kette, lenken diese Leine auf eine der auf der Seite angebrachten Winschen, kurbeln diese so lange, bis die verklemmte Leine ein wenig lose ist und können sie somit entfernen. Super!!
Um aber nicht das halbe Boot mit üblen Schleifspuren von Leine zwei zu verschandeln, verwenden wir den Schäkel eines Falls als „Umlenkrolle“ für die Leine. Alles klar? Ganz einfach, gell?
Schade hab ich kein Foto gemacht von unserer Konstruktion. Sah ziemlich irre aus. Aber es hat funktioniert. Erst konnten wir die verklemmte Leine lösen und dann den Anker aus seinem Versteck hervorlocken und einziehen. Phew!!
Erleichtert machten wir uns von dannen. Und ein Blick zurück versicherte uns, dass uns niemand verfolgte wegen Schändung des Ankergrunds.
Weit wollten wir nicht. Wir wollten nur bis zur Nachbarinsel Mljet, die wild und wuchtig ihren Buckel aus dem Wasser reckte. Und eine ganze Perlenkette von Charterbooten zog gen Süden, vermutlich auf dem Weg zu einer der Charterbasen in Dubrovnik. Morgen war wieder mal Wechsel angesagt. Für die einen war es das Ende eines Törns, andere würden ein neues Abenteuer antreten. Cool! Das hiess soviel, als dass alle schönen Plätzchen leer sein würden für die nächsten zwei Tage!
Wir aber zickzackten wieder einmal vergnügt über die fast wellenlose Bucht und legten anstatt der 9 Meilen direkter Distanz 16 Meilen bis an unser Ziel zurück. Macht nix, wir hatten ja Zeit.
Spannend wurde es für uns, als wir unser Ziel, die Bucht Okuklje genau vor uns hatten, jedoch keine Einfahrt entdecken konnten. Oha! Und hier soll es tatsächlich eine Bucht mitsamt Dörfchen geben? Die hatten sich aber gut versteckt. Doch Dank GPS und der elektronischen Karte auf dem Bildschirm fanden wir die Einfahrt, hinter der tatsächlich eine kleine Ortschaft zum Vorschein kam.
Alles machte einen verlassenen Eindruck. Bis auf die Leute vor zwei Konobas, die uns wild fuchtelnd signalisierten, dass ihre Konobas geöffnet hatten und auf Gäste warteten. Oops, was nun? Links oder Rechts? Nun ja, wir entschieden uns für Rechts und legten unser Bootchen routiniert vor der Konoba Maran an die Mole.
Schnell räumten wir auf und nahmen unseren Anleger wenig später auf der immer noch sonnigen Terrasse ein. Ein ziemlich mürrisch drein blickender Wirt fragte uns, ob wir hier Essen wollten und wenn ja, was und um welche Zeit. Wir sagten zu und halb sechs, worauf er uns die Menu Karten vor die Nase knallte, während er etwas von einer schlechten Saison und Corona knurrte. Am liebsten hätte ich wieder abgelegt, aber Skipper One überzeugte mich davon, dass der Wirt ja eigentlich nicht nett sein musste, sondern nur gut zu kochen hatte.
Wir dachten schon, dass wir wohl die einzigen Gäste sein würden, aber schon kurze Zeit später kam ein Charterboot (hatten den Kahn wahrscheinlich für zwei Wochen gechartert) mit einer Russischen Familie an Bord und legte neben uns an.
Und kurze Zeit später kam noch ein Segelboot und gesellte sich zu uns. Tja, für heute hatte „Links“ Pech gehabt. Denn sonst kam niemand mehr in die Bucht.
Alle drei Crews assen beim mürrischen Wirt zu Abend und ich muss sagen, das Essen war wider aller Erwartung vorzüglich! Und schon bald kehrte Ruhe ein in der Bucht.
Der nächste Tag war wieder einmal regnerisch und gewittrig und wir entschieden uns, noch einen Tag länger hier zu bleiben. Und offenbar hatten die anderen Crews die gleiche Entscheidung getroffen, denn keines der Schiffe verliess die super geschützte Bucht. Und während es vor der Bucht wahrscheinlich Stürmte und tobte, regnete es uns hier nur das Deck sauber.
Mir war das alles mehr als recht, hatte ich doch eh noch zu arbeiten. Und während sich Skipper One beim immer noch mürrischen Wirt mit den anderen Crews bei einem (oder mehreren) Bierchen anfreundete und Seglergeschichten und Seemannsgarn austauschte, konnte ich in aller Ruhe meine Arbeiten erledigen.
Abends waren sich dann alle einig, das ein gemeinsam eingenommenes Mahl einfach besser schmeckte. Und so lernte ich dann auch Eveline und Werner aus Österreich kennen.
Wir erfuhren, dass Werner im Sommer hier in Kroatien als Segellehrer arbeitete und es für ihn das erste mal sei, dass er mit seinem eigenen Schiff hier entspannt Urlaub machen konnte, da er normalerweise bis tief in die Saison mit Lernenden auf dem Wasser unterwegs sei.
Er konnte uns dann auch noch den einen oder anderen guten Tipp zu Marinas und Ankerplätzen geben, die wir uns nur zu gern hinter die Ohren, beziehungsweise auf Papier schrieben. Auch warnte er uns ausdrücklich davor, ohne vorher im Internet gelöstes Ticket im Nationalpark Mljet aufzutauchen. Das könnte teuer werden. Ja, wir hatten schon mehrere male gelesen, dass die Gebühren für die Nationalparks hier exorbitant seien.
Den Digestiv nahmen wir auf unserem Schiff zu uns, wo dann noch einmal rege Informationen und Seemannsgarn ausgetauscht wurden. Aber das führte nur dazu, dass wir alle noch ein bisschen mehr aufgekratzt waren und noch auf einen Drink auf Werner und Evelins Schiff gingen. Wenn wir schon nicht um die Häuser ziehen konnten, so konnten wir wenigstens von einem Schiff zum nächsten ziehen. Und die 12’000 Seemeilen mit AnnaSophie gaben immer noch ordentlich Gesprächsstoff ab.
Aber irgendwann war bei mir Filmriss und ich musste in die Koje. Und zwar in die eigene. Wir verabschiedeten uns und ich schaffte es
, über die wackelige Planke der Baghira zur ebenso wackeligen Leiter von AnnaSophie und anschliessend unter Deck von AnnaSophie und in die richtige Koje.Am nächsten Morgen schien wieder die Sonne und vom Gewitter vom Vortag war nichts mehr zu spüren. Auch ein Kater war ausgeblieben und so konnten wir noch einmal bei einer Tasse Kaffee Adressen austauschen.
Also, Werner und Eveline, es war super, eure Bekanntschaft gemacht zu haben und wir sehen uns sicher nächstes Jahr wieder – so Covid will…!
AnnaSophie’s Crew verliess als letzte die Bucht von Okuklje. Da es praktisch keinen Wind hatte, entschieden wir uns, auf dem Weg zum Nationalpark Mljet zu frühstücken. Crewmitglied Autopilot tat brav seinen Dienst, während wir zu unseren Brötchen die schöne Umgebung genossen.
Kurz vor der kleinen Insel Kobrava bogen wir links ab und fuhren in den Nationalpark ein. Kurz vor dem Ort Polace mussten wir uns entscheiden wo wir anlegen wollten. Wir hatten vorgehabt, schnell irgendwo im Ort anzulegen, einzukaufen und dann weiter hinten in der Bucht zu ankern.
Aber auch hier bot sich das gleiche Bild wie in der Bucht von Okuklje. Alles schien verriegelt und verrammelt. Wir fanden aber doch noch eine Konoba, die offenbar noch geöffnet war und so legten wir dort an.
Dort gab es erst mal eine Erfrischung, während wir den sehr netten jungen Wirt zum Nationalpark ausfragten. Er teilte uns aber auch mit, dass die Läden heute geschlossen seien, da es Sonntag sei. Au weia! Der Smutje/Skipper One war nicht erfreut. Das Abendessen war in Gefahr.
Und irgendwie war wohl der Schlamassel vom letzten Ankerplatz noch zu gut in Erinnerung und so beschlossen wir, die Nacht hier am Steg der Konoba „Bourbon“ zu verbringen.
Wir teilten das dem Wirt mit und dieser sagte, dass er uns ein Abendessen zusammenstellen würde, da er nicht mehr alle Speisen auf der Karte anbieten konnte. Das hörte sich ja schon mal gut an!
Und während wir unser Apéro genossen, dachten wir bei jedem Boot, dass jetzt dann sicher bald mal ein Parkranger vorbeikommen würde, um das Parkgeld zu kassieren. Aber es kam niemand. Auch gut.
Wir schlenderten noch durch den hübschen Ort bis zum Ende der Bucht, da wo wir eigentlich hatten Ankern wollen und waren wieder einmal mehr erstaunt über die Klarheit des Wassers hier rund um die Kroatischen Inseln.
Weniger erfreulich war der viele Müll, der die Strände verunzierte. Und das in einem Nationalpark! Wie konnten die Bewohner nur so gleichgültig sein?!?
Ich fand eine Plastiktüte und sammelte so viel Plastikmüll zusammen wie ich tragen konnte und platzierte alles sachgerecht in einer Mülltonne. Ein Tropfen auf einen brandheissen Stein – aber immerhin ein Tropfen.
Danach spazierten wir zur Konoba Bourbon zurück, wo wir uns auf der schönen Terrasse niederliessen. Und schon bald servierte uns der Wirt die Vorspeise. Eine Platte mit allerlei leckeren Kroatischen Spezialitäten, darunter Käse, Schinken und frische Plize, mmmmm….
Zum Hauptgang gab es Fisch und Lamm. Mare è Monti, sozusagen. Die etwas skurrile Kombination war aber gar nicht mal so schlecht und der Wein aus der Gegend rundete das Ganze zu einem Festmahl ab.
Diesmal waren wir wirklich die einzigen Gäste gewesen und hatte es genossen, so verwöhnt zu werden. Und als wir zahlen wollten, meinte der Wirt nur, dass wir das auch am nächsten Tag noch erledigen konnten, das habe keine Eile.
Na, da war ich ja gespannt, was uns der Spass kosten würde. Aber in diesem Moment war das wirklich egal, denn der ganze Abend war so wundervoll gewesen, dass Geld wirklich keine Rolle mehr spielte.
Müde und zufrieden fielen wir in die Kojen. Aber erst, nachdem wir uns noch eine Weile am klaren Sternenhimmel ergötzt hatten.
Am nächsten Morgen wollten wir zeitig losfahren, um noch eine andere Ecke des Nationalparks zu erkunden. Wir machten uns startklar und wollten noch die Rechnung begleichen vom Vortag. Aber das Restaurant war zu. Kein Wirt weit und breit. Wir klopften, riefen, stiegen bis zuoberst die Treppe hoch, aber da war niemand.
Also, ich habe ja schon von Zechprellern gehört. Von Leuten, die in einem Restaurant konsumieren und dann abhauen, ohne zu bezahlen. Aber dass es das auch andersrum gab?! Dass der Wirt abhaut, ohne einzukassieren?
Wir machten uns noch startklarer – sprich – wir warfen den Motor an. Keine Reaktion. Ja Himmisackra! Wir klopften und riefen noch einmal. Nichts. Erst als Skipper One den Wirtsleuten einfach in die Wohnung (die nicht verschlossen war) marschierte, streckte offenbar jemand seinen verschlafenen Kopf aus der Tür und fragte irritiert, was wir denn wollten.
Wir würden gerne zahlen.
Nach weiteren fünfzehn Minuten kam der Wirt die Treppe herunter und geziemte sich, uns eine Rechnung auszuhändigen, die wir dann prompt beglichen. Und so überrissen wie ich befürchtet hatte, war sie gar nicht. Ja wo gibt’s denn so was?!
Aber bald schon waren wir wieder unterwegs durch die verstreut liegenden kleinen Inseln des Mljet Archipels und hatten den schusseligen Wirt bald vergessen.
Einige nicht ganz so wilde, aber gut getarnte Bewohner der Inseln…!
Wir erreichten den Elafitski Kanal und konnten sogar Segel setzen! Wir liessen uns von unserem Vorsegel bis in die Bucht von Pomena ziehen und rollten das Segel erst kurz vor dem Ziel wieder ein.
Vor einer der dortigen Konobas legten wir an und fragten, ob wir unser Boot für ein paar Stunden hier lassen könnten. Ein jüngerer Mann zuckte nur desinteressiert mit den Schultern. Wir tranken noch etwas und holten unsere Brommies vom Boot. Und bald schon waren wir – diesmal auf dem Landweg – unterwegs Richtung Nationalpark.
Nachdem wir am Eingang Eintritt bezahlt hatten und uns erkundigten, ob wir hier auch unsere Gebühr für die Nacht vor Anker bezahlen könnten, sagte uns die freundliche Dame, dass wir das besser via Internet machen sollten, da es dort billiger sei. „Und wenn es nicht funktioniert?“ „Das Funktioniert immer!!“ Gab man uns entrüstet zur Antwort. Da hatten wir aber schon anderes gehört.
Dann vereinbarten wir noch einen Termin für eine Bootsfahrt über den Salzsee und radelten drauf los. Es war schon fast ein wenig spukig, dass wir weit und breit die einzigen Menschen waren. Und das obwohl man immer wieder Häuser sehen konnte.
Niemand da…
Der Salzsee war offensichtlich ein auf der Welt einzigartiges Ökosystem und das Wasser so klar, dass man kaum den Wasserrand sehen konnte!
Als es Zeit wurde, radelten wir zur Bootsanlegestelle, wo uns bald darauf ein Solar betriebenes Boot aufnahm. Auch hier: ausser dem Kapitän und einem Gehilfen und uns war niemand da. Auch die kleinen Ortschaften entlang des Sees schienen Menschenleer. Es herrschte Totenstille. Nur das surren des Elektrobootes war zu hören. Ja, hier konnte die Natur wirklich für sich sein.
Der See war wunderschön und an dessen Ende erreichten wir die Marieninsel…
…mit dem imposanten ehemaligen Kloster zur Heiligen Maria, das heute ein Museum und ein Gourmetrestaurant beherbergte. Beide waren zu. Dort konnten wir aber wenigstens eine kleine Pause machen, grad so lange dass wir uns einige Sehenswürdigkeiten ansehen konnten.
Die Klosterkirche mit dem wuchtigen Eingang und dem schönen Altar. Und ein paar Kerzchen für meine lieben Verstorbenen lagen auch noch drin.
Bei einem kleinen Rundgang bewunderten wir die herbe Schönheit der Insel.
Doch dann mussten wir zum Elektroboot zurück. Auch wenn es noch so schön war hier, übernachten war auf unserem eigenen Schiff doch bequemer.
Das Boot brachte uns wieder an die Anlegestelle auf der anderen Seite des Sees zurück und von dort radelten wir zu unserem Boot zurück. Eigentlich hatten wir noch etwas trinken wollen in der Konoba, aber niemand zeigte Interesse daran, uns zu bedienen.
Wir legten ab und schipperten tiefer in die Bucht Uvala Lokva hinein und als wir an einer Rangerstation vorbeifuhren, wo uns ein Parkranger Zigarette rauchend und interessiert hinterherschaute, kam uns plötzlich in den Sinn, dass wir ja ob all dem Sehenswerten hier völlig vergessen hatten, unsere Gebühr für das Ankern im Internet zu bezahlen. Naja, so wie es aussah, würde es eh nicht mehr lange dauern und wir würden Besuch bekommen von dem Ranger.
Aber es kam niemand. Offenbar waren wir als zu bedeutungslos eingestuft worden, als dass es sich lohnte, für uns ein Boot der Parkverwaltung in Bewegung zu setzen.
Tja, und so kam es, dass wir ausser der paar Kuna für den Eintritt in den Park nichts bezahlt hatten! Unglaublich! Nachsaison sei Dank!