The storm of the century

Im allerletzten Moment konnten wir mit der Crew der Black Pearl noch einen Stegschnak halten, bevor sie sich Richtung Olbia davonmachten. Und auch bei ihnen war der kommende Sturm Thema Nummer Eins. Paul, der Skipper hatte vor, den Sturm an der Nordseite Sardiniens, in Santa Theresa di Gallura abzuwettern.

Auch wir hatten die Entwicklung des Sturms mit Interesse verfolgt und uns entschieden, in Ajaccio, Korsika Schutz zu suchen. Aber der Sturm würde laut Voraussage erst in einer Woche über diese Gegend hinwegziehen. Perfekt. Bis dahin hatten wir also noch genügend Zeit.

Rocca del Elefante, Strada Statale 134

Und vor allem hatten wir noch Zeit für etwas, das wir schon seit Wochen geplant hatten. Wir hatten uns für diesen Tag ein Auto gemietet und waren nun unterwegs Richtung Berchidda  Und nein, wir wollten nicht Elefanten jagen. Diese Gesteinsformation lag/stand ganz einfach am Weg.

Das war doch wieder mal ein ganz anderes Reisen, als auf dem Wasser durchgeschüttelt zu werden. Unser Fahrzeug hatte sogar eine Bremse! Damit konnte man das Fahrzeug innert kürzester Zeit zum Stehen bringen, yay! Kein Segel reffen/einziehen/fieren/dicht nehmen. Einfach nur quiiiiieeeeetsch, Foto, mrrrööööm, nächstes Ziel.

Was wir uns nicht so richtig bewusst gemacht hatten bevor wir losfuhren war, wie viele Kurven unser Weg haben würde. Und so kam es wie es kommen musste. Mir wurde schlecht. Shit! Nix mit einfach über die Reling hängen und schwupp, Fische füttern. Dann halt quiiiiieeeeetsch, verschämt Deckung suchen, Insekten füttern, mrrrööööm, nächstes Ziel.

Ist vielleicht doch netter auf dem Wasser…!

Nach unendlich langer Zeit hatten wir Berchidda erreicht. Dort mussten wir uns erst mal durchfragen, wo unser Ziel überhaupt war. Zum Glück fanden wir in einer Bar jemanden, der den Chef unseres nächsten Ziels kannte und wir konnten uns mit diesem telefonisch an einer Tankstelle verabreden.

Als wir an der Tankstelle ankamen, wartete Francesco schon auf uns und von dort folgten wir ihm dann…

…bis zu seiner Weinkellerei mit dem Namen Atlantis, die er mit seinem Bruder zusammen erst vor drei Jahren eröffnet hatte. Das Bild der Beiden habe ich von ihrer Facebookseite geklaut, sorry. Aber es war mir wichtig, die zwei Weinenthusiasten zu zeigen, denn ihr «Weinkeller» war so gar nicht, was ich erwartet hatte.

Der nüchterne Raum, der aussah wie eine alte Fabrik, war so anders als die Weingüter die ich in meinem bisherigen Leben besucht hatte. Dort wurde meist ordentlich geklotzt, um den Wein anzupreisen. Nicht so hier.

Francesco fragte uns, woher wir denn überhapt ihren Wein kennen würden und so erzählten wir ihm die Geschichte:

Max und ich waren ja im Mai dieses Jahres nach Elba gesegelt und ich denke, es war in Marina di Campo gewesen, als wir in einer Vinothek auf’s Geratewohl eine Flasche Vermentino von Atlantis gekauft hatten. Dieser Wein entpuppte sich für micht als etwas, das ich in dieser Form noch nie getrunken hatte und auch nachher nichts mehr vergleichbares fand. Ein traumhaftes Stück Gaumenfreude! Ich wusste sofort: zu dieser Domaine will ich irgendwann mal hin!

Und voilà, hier waren wir nun! Wir durften wiederum dieses edle Getränk kosten und fetsstellen, dass sie hier auch exzellenten Rotwein herstellten. Francesco war zwar erst leicht irritiert, als ich ihm gestand, dass ich nicht einmal annähernd etwas von Wein verstand, aber dass sein – oops, und hier passierte mit ein unverzeihbarer Fehler – Weisswein das beste war das ich je in meinem Leben getrunken hatte. Dabei handelte es sich bei diesem Wein um Vermentino (!!!)

Aber als er sah, dass ich beim Probieren des – Vermentino – fast zerschmolz, hatte er mir bereits vergeben. Und als wir den Kofferraum des Mietautos bis an den Rand mit Paketen von Rot- und – äh…Vermentino luden, waren wir beste Freunde. Glücklich machten wir uns auf den Heimweg. Wo wir die Pakete überall im Schiff verstauten, das bleibt ein Geheimnis… 😉

Auf dem Weg durch die gefühlten 100’000 Kurven Richtung Castelsardo machten wir Halt in einem Dorf, dessen Murale Kunst weitherum bekannt war. Aber wir gossen nur Espresso in unsere Köpfe.

Kurz vor Castelsardo – es war inzwischen schon fast dunkel – bogen wir links ab, kurvten den Hang hoch und besuchten die Pizzeria «Rocca ‘ Ja». Oh Boy, die Pizza dort war fast so gut (oder doch besser?) wie die von Carloforte! Und die Aussicht!!

Was für ein himmlischer Abschluss unserer Sardinien-Umrundung und für unseren letzten Abend in Sardinien! Als uns am Anschluss an unser Dinner einfiel, dass wir für den nächsten Tag nichts zum Frühstück hatten, fragten wir kurzerhand den Kellner, ob sie nicht eventuell eines der delikaten Vorspeisen- Brötchen übrig hätten. Dieser verschwand kurz und kam mit der Nachricht zurück, dass etwas am Empfang für uns bereitstehen würde.

Als wir beim Empfang unsere Rechnung beglichen, drückte uns die Kassiererin einen grossen Papiersack voll mit noch warmen frischen Brötchen in die Hand. Da, die könnt ihr mitnehmen. Wir waren überwältigt und wollten die Brötchen bezahlen, aber die Leute der Pizzeria winkten lächelnd ab. Servizio, per piacere!

Wollten wir wirklich weg von Sardinien…?

Am nächsten Tag – nachdem wir unsere delikaten Brötchen verspeist hatten – machten wir uns auf den Weg.

Addio, bella Sardegna! Ci Vediamo!!

Und bald war Sardinien nur noch als Strich am Horizont sichtbar und als ob der Himmel unsere Wehmut geahnt hätte, zog er sich ein graues Gewand über.

Und je näher wir Korsika kamen, um so ungemütlicher wurde es. Zuerst hatten wir noch versucht, in der Bucht von Campomoro zu ankern. Nach mehreren Versuchen, vor dem hübschen Ort zu Ankern hatten wir sogar einigermassen Halt gefunden. Aber irgendetwas lag in der Luft, wir waren nicht happy. Und es wurde dunkler und dunkler.

Die nächste Entscheidung die wir trafen, nämlich in die Marina von Propriano einzufahren, würde sich noch als unglaublich Schicksalshaft erweisen…!

Und so war es schon stockdunkle Nacht, als wir den Anker wieder lichteten und in der Marina von Propriano einliefen und dort einen Platz suchten. Was sich als unglaublich schwierig erwies. Marineros waren natürlich weit und breit keine mehr zu sehen und jeder Platz, den wir anliefen war zu klein oder hatte keine Muringleine. Wir hatten natürlich zuerst zuvorderst in der Marina gesucht, dort wo es am nächsten zu den Toiletten ist. Aber kein Glück.

Schlussendlich fanden wir, oder besser gesagt machten wir uns Platz, indem wir uns zwischen zwei dicke Motorpötte quetschten. Yep! Machen wir uns Liegeplatz wann wir wollen.

Am nächsten Morgen war das Wetter wieder wunderbar, es gab Pancakes zum Frühstück und wir entschieden uns, das schöne Wetter dazu zu nutzen, um Wäsche zu waschen. Alles easy hier. Ab und zu checkten wir die Wettervorhersage um sicher zu gehen, dass es noch für Ajaccio reichte. Aber da schien alles noch im grünen Bereich.

Wir sattelten unsere Brommies und gingen per Rad shoppen. Es gab sogar Bars, die noch offen waren und so konnten wir wieder mal den einen oder anderen Drink einnehmen. Auch einige gut bestückte Shipchandler gab es hier. Und wer Schiffseigner kennt, der weiss: ein Schipchandler ist für den Bootseigner das was für ein Kind ein Spielzeugladen ist.

Wir fanden sogar einige Ersatzteile, die wir schon lange gesucht hatten und ich erstand eine neue Wäscheleine! Yay!

Propriano war jetzt Ende Oktober leergefegt von Touristen. Auch gut. So konnten wir uns entspannt unter die einheimische Bevölkerung mischen und das Leben hier in Korsika geniessen.

Nach Absprache mit den Leuten von der Capitainerie konnten wir sogar unseren Platz ganz hinten beibehalten. Super, wir waren eh zu faul zum Umziehen.

Irgendwann realisierten wir aber, dass wir es nicht mehr vor dem Sturm nach Ajaccio schaffen würden. Mist! Tja, wir waren offenbar so tiefenentspannt gewesen, dass wir verpasst hatten, uns Rechtzeitig auf den Weg zu machen. Mit einem eher mulmigen Gefühl überdachten wir unsere Situation und realisierten, dass es für uns eigentlich gar nicht so schlecht aussah. Wir waren rundum gut geschützt, besonders durch die zwei dicken Pötte links und rechts von uns. Und so entschieden wir uns, dem Schicksal entgegenzutreten und den Sturm hier in Propriano abzuwettern.

Und so sicherten wir am Tag des Sturms unser Boot speziell gut und machten uns auf unseren Brommies auf, noch einige Einkäufe zu machen. Es hatte inzwischen angefangen zu regnen, war für uns aber nicht weiter schlimm.

Doch hoppla, was war denn jetzt los!? Überall wo wir hinkamen, war entweder gar nicht offen oder es wurde uns vor der Nase der Rollladen heruntergelassen. So etwas hatten wir noch nie erlebt! Hier wurde verrammelt und verriegelt, als ob eine Schlacht bevorstehen würde.

Als letztes versuchten wir, in einem Orange Shop noch eine SIM-Karte für Frankreich zu ergattern. Aber auch dort wurden wir aufgefordert, das Geschäft umgehend wieder zu verlassen. Ja aber warum denn?!?

«C’est la préfecture qui a commandée, que tous les magasins soient fermé jusqu’à Midi! C’est a cause du tempête !

Oooouuu kay ?! Max und ich schauten uns verdattert an. Wir hatten da offenbar die Lage leicht unterschätzt. Wenn die Präfektur den Befehl herausgab, dass alle Geschäfte zu verrammeln seien und die Leute bis Mittag alle drin sein MUSSTEN, dann bedeutete das definitiv nichts Gutes.

Irritiert fuhren wir zurück zum Boot.

Dort angekommen, mussten wir zugeben, dass sich die Lage inzwischen happig verschlechtert hatte. Wir verstauten alles was nicht Niet- und Nagelfest war im Innern des Bootes und harrten der Dinge, die da kommen würden. Und bald kam es knüppeldick…

Wir verkrochen uns in unsere Kuchenbude und zogen die Köpfe ein! Mit Besorgnis beobachteten wir die Windanzeige. Denn kaum waren wir im Innern, ging es erst so richtig los…

Und es schien überhaupt nicht mehr aufzuhören! Und es kam noch dicker…

Wir sassen wie auf tausend Nadeln und in Bereitschaft während des ganzen Sturms! Da entwickelt man automatisch einen Galgenhumor…!

So gegen 21 Uhr beruhigte sich der Sturm und wir realisierten erstaunt, dass wir während der ganzen Zeit nichts gegessen hatten! Phew, jetzt wurde es aber Zeit.

Und so stellte sich der Skipper in die Kombüse und kochte uns ein Abendessen. Da der Landstrom ausgefallen war, waren wir gezwungen, auf romantische Beleuchtung umzusteigen. Und während wir unsere Spaghetti verspeisten, diskutierten wir was wir gerade erlebt hatten. Und wir waren uns einig, dass dies das heftigste Wetter gewesen war das wir je erlebt hatten. Und dass wir froh waren, dass wir diesmal auf dem Schiff waren und grösseres Unglück und Schäden hatten verhindern können.

Das schlimmste war offensichtlich vorbei, aber das Schiff wurde immer noch ordentlich durchgeschüttelt. Vor dem ins Bett gehen überprüften wir noch einmal alle Muringleinen und Fender und gingen zu Bett.

Mitten in der Nacht wurden wir von einem gewaltigen Ruck aufgeweckt und wir wussten sofort, dass irgendetwas passiert war. Innerhalb Sekunden standen wir beide an Deck und realisierten, dass doch eine der Muringleinen der Belastung nicht mehr Stand gehalten hatte und zerrissen war.

Auch stellten wir fest, dass das Boot immer noch wie wild hin- und her schlierte, obwohl der Wind schon ziemlich nachgelassen hatte. Wir konnten uns lebhaft vorstellen, dass es da draussen noch enorme Wellen haben musste.

Der Wind hatte zum Glück ein wenig nachgelassen und so konnten wir die Muringleine problemlos ersetzen. Und noch eine Zusätzliche auslegen. Und auf beiden Seiten noch eine Doppelte…!

Nachdem wir keine Leinen mehr hatten, die wir noch einsetzen konnten, gingen wir wieder schlafen.

Knopf in der Leitung

Am nächsten Morgen sah es dann so aus…

Und auf der anderen Seite des Stegs waren Marineros und Bootseigner damit beschäftigt, die losgerissenen Boote wieder irgendwie festzubinden. Teils fehlten am Steg UND an den Booten die Klampen ganz, sprich waren total ausgerissen. Wir waren froh, dass es bei uns nur die eine Muringleine zerrissen hatte. Alles andere war Gottseidank heil geblieben.

Und hier noch einige Daten zu dem Unwetter:

  • Das Unwetter in Propriano tobte am 29.10.2018 von etwa 15 Uhr bis 22 Uhr
  • Fast 75 Knoten Wind (150 Km/H) waren die maximale Windgeschwindigkeit, die wir gemessen hatten. Es könnten och mehr gewesen sein, weil wir nicht ständig gemessen haben.
  • Am nächsten Morgen war es praktisch Windstill mit nur 2 Knoten Wind
  • Und unser Barograph hatte eine rekordverdächtige Tiefe von 965 Millibar gemessen während des Sturms.

Da die Boote innerhalb der Marina immer noch arg in Bewegung waren, entschieden wir uns noch ein, zwei Nächte hier zu bleiben. Wir wollten gar nicht wissen, wie es da draussen auf dem Meer zu und her ging. Auf die Achterbahnfahrt konnten wir gern verzichten.

Und so sah die Wetter/Windkarte dieser Gegend normalerweise aus…

…und so während des Sturms.

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