Sevilla ist überwältigend. Hier wird man von der Geschichte fast erschlagen. Sevilla ist aber auch laut, freundlich, warm und modern. Und man spricht nur Spanisch, das dafür aber wortreich und schnell. Mein Migros-Klubschule-Spanisch wurde vom andalusischen Maschinengewehrsalven-Spanisch in null Komma nix weggemäht. Ich hab jedenfalls pro Satz etwa ein Wort verstanden.
So wie mit dem freundlichen Opa, der jeden Abend so zwischen fünf und sechs Uhr neben AnnaSophie auftauchte, sein Klappstühlchen platzierte, sein Angelzeug auspackte und einen Fisch nach dem andern aus dem trüben Wasser zog – um sie alle postwendend wieder ins Wasser zurück zu schubsen.
Ich hab ihn dann mal so mit Zeichensprache und meinen Klubschul-Spanisch Resten gefragt, warum er die Fische denn wieder zurück ins Wasser schmeisst. Daraufhin erklärte er mir eben wortreich, dass er alleine lebe und nicht kochen könne und somit könne er mit den Fischen nichts anfangen. Für ihn sei das Zeitvertreib und Sport. Von da an erzählte er mir jeden Tag ausführlich, wie viele Fische er gefangen hat. Oder das glaube ich zumindest.
Und ja, das Ding im Hintergrund im Bild rechts ist tatsächlich ein Kreuzfahrtschiff, wenn auch nur ein kleines. Es gibt in Sevilla sogar ein Terminal für Kreuzfahrtschiffe. Alles was schmal genug ist für die Klappbrücke, darf hier durch. Halt einfach nur dann wenn die Brückenwärter in Stimmung sind.
Tja, und hier lagen wir nun, festgemacht an der Mole des Club Nautico de Sevilla (Zweites Schiff von ganz Links). Das Bild hab ich übrigens aufgenommen vom Riesenrad gegenüber.
Der Club Nautico ist einer der ältesten und angesehensten Clubs in Sevilla. Der Club hat über 8000 Mitglieder, von denen offenbar nur die wenigsten etwas mit Wassersport zu tun haben. Hier muss „man“ einfach dabei sein. Das Gelände ist komplett eingezäunt, hat einen Portier und wird 24 Stunden bewacht.
Es gibt Tennisplätze, Krafttraining, ein Hallenbad, ein Freibad, Restaurants, ein Clubhaus, eine Mehrzwecksporthalle, einen Spielplatz und ist in einem wunderschönen, gepflegten Park gelegen. Und auch hier sprechen alle nur Spanisch.
Die Wassersportart die hier aber intensiv betrieben wird, ist der Rudersport. Jeden Tag war die Hölle los auf AnnaSophie’s Mole. Von den 12jährigen bis zu den Veteranen war alles auf dem Wasser. Und vom einfachen Kayak über Kanus bis zum Hightech-Achter hab ich alles gesehen.
Und noch etwas hatten sie hier: das lausigste WIFI weit und breit. Ich war ja nach unserer Ankunft am Sonntag Morgen gleich zur Rezeption gegangen, um uns anzumelden und zu zahlen. Als ich das dem Rezeptionisten – der natürlich nur Spanisch sprach – zu erklären versuchte, fand ich bald heraus, dass das Büro am Sonntag geschlossen war. Aber wenigstens konnte er mir auf meine Frage nach WIFI einen Zettel mit einem Zugangscode über den Tisch schieben.
Zurück beim Schiff, das übrigens nur circa 100 Meter vom Hauptgebäude weg war, musste ich feststellen, dass das WIFI Signal zu schwach und somit unbrauchbar war. Also packte ich meinen Schleppi und den ganzen Kram in eine Tasche und machte mich auf die Suche nach besserem Empfang. Den fand ich dann zwar, idyllisch unter Orangenbäumen auf einer Mauer, aber ich schaffte es trotzdem nicht bis ins Internet. Frustriert packte ich meinen Krempel wieder zusammen und – Knack! machte es – und der Bildschirm meines Laptops war hinüber. Autsch! Und am nächsten Tag hab ich dann noch den Schlepptop von Max in die ewigen Jagdgründe spediert. Aber die Geschichte will ich euch jetzt ersparen.
Tja, und von da an war ich zwei volle Tage damit beschäftigt, wie eine wild gewordene Hummel auf meinem Brommie und den kaputten Computern in der Satteltasche in Sevilla herum zu sausen und nach Lösungen zu suchen. Also nix da mit relaxed Sevilla entdecken und in schönen Bars am Rioja nippen.
Und als ich schon alle Hoffnung aufgegeben hatte, hab ich in einer kleinen Gasse (links im Bild) auf einem Schild diesen Apfel entdeckt. Und ganz zuhinterst in diesem Durchgang hatte es ein kleines Geschäft für Handy Reparaturen. Ich hab gedacht, das wird eh nix, bin aber trotzdem rein gegangen. Die konnte natürlich kein Englisch, ha, wieso denn auch, braucht doch niemand hier.
Denn als der nerdige Verkäufer sein iPhone zückte und anfing seinem Siri in Spanisch Fragen zu diktieren, die mir dann auf Englisch wiedergegeben wurden, war ich fast von den Socken. Ich schildertre also mein Problem und er rief seinen ebenso nerdigen Kollegen nach Vorne. Die berieten sich kurz und Siri fragte mich dann, ob es denn o.k. sei, wenn die Reparatur bis Donnerstag erledigt sei. Ich war so geschockt, dass ich zur Sicherheit fragte, welchen Donnerstag sie denn meinten. Den kommenden natürlich, sagten sie. Ich war sprachlos. Das beste Angebot bisher waren drei Wochen gewesen oder einen zusätzlichen Bildschirm kaufen.
Nur zu gerne bezahlte ich die 100 Euro im Voraus und mehr schwebend als gehend verliess ich den kleinen Laden. Dem Pc konnten sie aber auch nicht mehr auf die Beine helfen. Der war definitv hinüber. Das rechte Bild zeigt übrigens das „Internetcafé“, in dem ich ab und zu einkehrte. Heimelig, nicht wahr? Das einzig Gute war, dass ich mein Velo mit ins Café nehmen konnte.
Das Ereignis musste ich natürlich umgehend in einem der vielen Strassencafés mit einer Tasse Café con Leche begiessen.
Und dann konnte ich endlich mal mit offenen Augen durch die Stadt gehen…
…und mir ein endlich ein paar Tapas und ein Glas Vino Blanco genehmigen…
…und nach einem letzten Blick auf das abendliche Sevilla zufrieden in die Koje kriechen.
Kurz nach Mitternacht wurde ich jedoch von einem Rumpeln und Krachen aus dem Schlaf gerissen. Eine Hälfte des Gehirns war erst mal erschrocken, aber die andere Hälfte wusste sofort, dass im Salon wahrscheinlich wieder mal das Fliegengitter des Oberlichts heruntergefallen war. Schlaftrunken und ohne Licht zu machen torkelte ich also in den Salon, wo tatsächlich das Fliegengitter am Boden lag.
Aber als ich dann ein merkwürdiges Geräusch hörte im Durchgang zur Küche blieb mir erst mal das Herz stehen vor Schreck. Mein Gehirn sagte mir sofort, dass aus der Ecke um diese Zeit kein Geräusch kommen konnte! Ich natürlich wie ein geölter Blitz zurück in meine Koje, wo ich mit klopfendem Herzen und dem Ohr an der Tür zu definieren versuchte, was das wohl sein konnte da in unserem Salon. Ein Einbrecher? Ein Mörder? Ein…ach ja! Es konnte ja nur eine Katze sein! Hatte ich mich doch schon mehrmals gewundert in den letzten Tagen über die vielen Katzen, die sich auf der Mole hier in der Marina herumtrieben.
Als sich mein Puls dann auf gefühlte 120 herunter beruhigt hatte, wagte ich es die Tür zu öffnen und zum nächsten Lichtschalter zu hechten. Und tatsächlich! Da, ganz hinten in der Ecke, hinter dem Wasserkocher sass eine Katze und starrte mich erschrocken an. Schnell wurde mir nun klar, was da passiert war: das Tier war neugierig über die Planke auf unser Schiff gelangt und hatte sich wahrscheinlich unter dem über dem Vorschiff liegenden Dinghi verkriechen wollen. Dabei muss sie auf das von unten befestigte Fliegengitter getreten sein. Dieses hatte unter dem Gewicht der Katze nachgegeben und so war diese dann unfreiwillig in unserem Schiff gelandet.
Tja, und da ich kein Katzenfreund bin, konnte das ja nur im Desaster enden. Ich war stinkwütend über den pelzigen Eindringling in meinem Revier und brachte das auch lautstark zum Ausdruck. Was das Tier natürlich noch mehr in Panik versetzte. Ich öffnete den Niedergang in der Annahme, die Katze würde sofort die Flucht ergreifen. Aber das war falsch gedacht, denn sie verkroch sich immer mehr in den hintersten Winkeln des Salons.
Nach schier endlosen Versuchen mit allen möglichen Hilfsmitteln, das Vieh irgendwie aus dem Boot zu kriegen, warf ich ihr eine Decke über und versuchte sie zu packen. Daraufhin biss sie mich so massiv durch die Decke hindurch in die Finger, dass ich das Gefühl hatte, in eine Kreissäge gegriffen zu haben. Und genau so sahen meine Finger auch aus und das gleich an beiden Händen. Blutüberströmt flüchtete ich aus dem Boot und machte mich auf die Suche nach dem Nachtwächter. Ich hatte jetzt kapiert, dass ich das Vieh ohne fremde Hilfe nicht los werden würde.
Ich fand den Nachtwächter dann auch, im Gespräch mit einem paar Clubmitgliedern. Die waren ob meines Anblicks ziemlich geschockt, kamen mir dann aber ungefragt zur Hilfe, als sie meine Story gehört hatten.
Und die brauchten dann auch noch mal gefühlte 24 Stunden, bis sie die Miesekatze aus dem Boot heraus hatten. In der Zwischenzeit verband mir der Nachtwächter meine blutenden Hände. Zum Dank schenkte ich jedem noch eine Tafel Schoggi und endlich konnte ich – nachdem ich alle Luken Katzensicher gemacht hatte und einer guten Portion Schmerzmittel – erschöpft in meine Koje kriechen.
Am nächsten Tag war ich mir aber nicht mehr so ganz sicher, ob das wirklich so eine gute Idee gewesen war, die Wunden selbst zu versorgen und so rief ich dann irgendwann den Medizinischen Dienst meiner Krankenkasse an. Nachdem ich der netten Tante am Telefon mein Problem geschildert hatte, verband (nur telefonisch natürlich) die mich mit der diensthabenden Ärztin. Ich erzählte meine Geschichte noch mal und nach einem kurzen statischen Rauschen und einer Standpauke befahl sie mir, mich S-O-F-O-R-T in die nächste Klinik zu begeben zwecks ordnungsgemässer Behandlung der Wunden.
Nachdem ich all meinen Mut beisammen hatte, begab ich mich dann zum Eingang des Clubs, wo ich mir ein Taxi bestellte, das mich dann zur nächst gelegenen Klinik fuhr. Offenbar hatte ich eine gute Zeit erwischt, denn es waren keine anderen Notfälle da. In der Aufnahme sprach man natürlich nur Spanisch, olé! Nach längerem Suchen fand sich dann eine Schwester, die ein paar Brocken Englisch verstand, yeah! Die übersetzte dann auch für den Arzt, der nur Spanisch sprach und mir ein in Spanisch verfasstes Rezept in die inzwischen fachgerecht verarzteten Hände drückte. In Zeichensprache verwies man mich zur gleich neben dem Spital gelegenen Apotheke, wo man mich wild gestikulierend wieder zurück ins Spital scheuchte mit der Begründung, dass man mir die Medikamente nicht aushändigen könne, da ich nicht Spanierin sei. Oder so ähnlich.
Und nachdem man mir im Spital gesagt hatte, dass man nicht mehr für mich tun könne und ich es doch einfach in der nächsten Apotheke versuchen solle, setzte ich mich frustriert ins nächste Taxi und fuhr zurück zum Boot. Dort rief ich Max an, der kurz davor war zurück nach Spanien zu fliegen. Ich schilderte ihm mein Problem und er meinte dass ich ihm doch das Rezept mal schicken solle. Er wollte versuchen, die Medikamente in der Schweiz zu besorgen. Ich fotografierte das Rezept mit meinem Handy, schickte es ihm und siehe da! Es klappte auf Anhieb. Die in der Schweizer Apotheke händigten ihm die Sachen aus, er stieg damit in den Flieger und schon am gleichen Abend konnte ich mir mein nicht wirklich ersehntes Antibiotika rein ziehen.
Und schon am nächsten Tag sah die Welt wieder ganz anders aus. Denn da gingen wir definitiv auf Sevilla Entdeckungstour. Erst ging es mal auf das Riesenrad, das ich eine Woche lang von der gegenüber liegenden Seite hatte bewundern können…
…in den Parque de Maria Luisa, in dem die Menschen friedlich den 1. Mai verbrachten…
…wir bewunderten Monumente und die Plaza de Espana…
…und stolperten fast in eine Prozession…
…die uns das Traditionsbewusstsein der Spanier üppig vor Augen führte.
Das alles machte natürlich Hunger und so genehmigten wir uns zum x-ten male ein paar Tapas…
…die fast unser Reisebudget sprengten… 😉
Aber trotz des ins Wanken geratenen Reisebudgets leisteten wir uns auf dem Heimweg noch ein Glacé. Warm genug dafür war es definitiv.
Und dies hätte eigentlich unser letzter Abend in Sevilla werden sollen, denn am nächsten Tag, am Montag Abend würde die Brücke um neun Uhr Abends öffnen und wir würden dann unsere Reise fortsetzen können. Was wir aber nicht wussten war, dass die Spanier – da der erste Mai auf einen Sonntag gefallen war – einfach den Montag zum Sonntag machten und sich die Brücke somit erst am nächsten Mittwoch öffnen würde…
Die Fluchwort- und Schimpftiraden, die daraufhin etwa zwei Stunden durch den Club Nautico hallten, will ich hier nicht rezitieren, sonst würde man mir wohl den Blog sperren. Aber wenigstens hatten wir so die Gelegenheit, die Stadtführung noch zu machen, die wir sonst verpasst hätten…
Immer mit dabei waren natürlich unsere Brommies, die wir nur ungern aus den Augen liessen. Schon zu Beginn unseres Aufenthaltes hier in Sevilla war uns aufgefallen, dass man das Velo praktisch in jedes Geschäft mitnehmen konnte, oft dazu aufgefordert von den Ladenbesitzern selbst. Offenbar war Velodiebstahl hier ein häufiges Ereignis. Das führte bei uns fast zu Paranoia und wir ketteten die Velos immer doppelt an wenn wir sie irgendwo abstellen mussten.
Aber wir konnten die Stadt trotzdem geniessen mit ihren schmucken Häusern und ihre unzähligen engen Gassen…
…den prachtvollen Fassaden und den unzähligen Kirchen…
…die hübschen Plazas und die ulkigen Häuser.
Und dank der geschlossenen Brücke reichte es uns sogar noch für einen Besuch im Alcazar, dem Königspalast von Sevilla, der schon vor tausend Jahren erbaut worden war, immer wieder mal ergänzt, ausgebaut, zerstört, umfunktioniert, geplündert, zerstört, wiederaufgebaut, etc. wurde.
…was da alles in den vielen Epochen…
Aber dann wurde es Mittwoch und man hatte uns versichert, dass sich die Brücke definitiv um 22 Uhr Abends öffnen würde. Und um Mitternacht würde sich dann die Schleuse öffnen und wir würden frei sein. Und so fingen wir an, das Boot für den Trip durch die Nacht vorzubereiten.
Wir radelten noch ein letztes mal zum nahe gelegenen Supermarkt und kauften Vorräte ein. Und dabei ist mir dann mein Handy irgendwo aus dem Hosensack gerutscht und ward nicht mehr gesehen. Ich bin sogar den ganzen Weg nochmal zu Fuss zurückgegangen, aber das Handy blieb verschwunden. Wenn ihr mich also telefonisch erreichen wollt, dann ruft bitte Max an…
Die letzten Stunden vertrieben wir uns noch mit letzte Mails schreiben und genossen den wunderbaren lauen Abend im Gartenrestaurant vom Club Nautico.
Und dann war es soweit: um Punkt 22 Uhr öffnete sich für uns das Tor zur Freiheit und wir fuhren durch die Nacht dem offenen Meer entgegen.
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Danke für den ausführlichen Einblick in euer Reiseleben. NSehenswerter Ort !
und ja, das mit der Katze ist ja fürchterlich. Schock, Biss und viele Umtriebe…. hoffe, du hast es gut überstanden ! Jetzt wünsche ich gute Weiterreise zu den Balearen.
liebi Grüess
Barbara