Teil 1
Oh Himmel, ist das wirklich schon drei Jahre her, dass wir unsere Mission «Wandering Star» durchgeführt haben, Heinz? Und tatsächlich, es sind fast auf den Tag genau drei Jahre. Höchste Zeit also, dieses aussergewöhnliche Ereignis Revue passieren zu lassen!
Und so kam es, dass ich – diesmal ohne Max – am ersten April 2017 wieder einmal mehr den Nachtzug nach Amsterdam bestieg und bequem nach Grou reiste. Grou liegt in Holland ziemlich im Norden.
Heinz holte mich am Bahnhof ab und wir gingen zu Fuss an unseren Bestimmungsort. Auf dem Weg dorthin konnte ich wieder einmal mehr feststellen, dass die Lebensqualität in Holland beachtlich ist, auch bei miesem Wetter.
Am Bestimmungsort angekommen, bezog ich mein Quartier für die nächsten drei Wochen und wurde von Heinz schon mal für unsere «Mission Wandering Star» gebrieft.
Anschliessend gingen wir essen und plauderten, erzählten, lachten bis es Zeit war ins Bett zu gehen.
Ja, und früh am nächsten Morgen war es dann soweit! Mission «Wandering Star» konnte beginnen. Es war nämlich unser Ziel, Heinz’ Motoryacht «Wandering Star» von Holland zurück nach Schweden zu bringen. Heinz hatte dafür drei Wochen eingeplant und ich würde die Crew sein.
Das Boot war über den Winter in der Werft in Jirnsum zur Generalüberholung gewesen und jetzt wieder bereit für den Sommer in Schweden. Und ich war bereit, einen Törn der etwas anderen Art zu begleiten.
Zuerst musste der elektronische Kompass neu Kalibriert werden. Dazu legten wir ab und fuhren zum kleinen Inlet Pikmar, wo wir die Kalibrierungsrunden drehten.
Ich hatte so ein leicht unangenehmes Dejà vu, hatten wir doch dazumal mit AnnaSophie erfolglos Runde um Runde gedreht. Aber so nach der dritten oder vierten Runde war der Autopilot kalibriert und wir konnten in den ersten Kanal einfahren.
Den konnten wir bei sonnig mildem Wetter voll geniessen und die schöne holländische Landschaft an uns vorbeiziehen lassen.
Hm, und dieses unangenehme Kribbeln im Nacken beim Anblick von Brücken würde mich noch eine Zeit lang begleiten. Dass man mit einem Motorboot bei den meisten Brücken einfach so durchflutschen konnte, war gewöhnungsbedürftig.
Huch, Gegenverkehr!
Habt ihr gewusst, dass Holland so flach ist? ?
Um in den Eemskanal einzubiegen, mussten wir hier vor der Nieuwe Oostersluis erst mal warten. Und warten. Und warten…
…aber dann kam die Annie, ein Kanalschlepper und die Schleuse plus Brücke öffnete sich wie von Geisterhand.
Nach der Schleuse setzten wir den Blinker und bogen links in den Eemskanal ab. Kurz vor unserem Ziel mussten wir noch einmal abbiegen, diesmal in den Oude Eemskanal.
Wenig später hatten wir unser erstes Tagesziel erreicht. Delfzijl. Wir legten im Motorboothafen an, der in Gehdistanz zum Stadtzentrum lag. Der Skipper kochte das Abendessen und der erste und einzige Maat spülte anschliessend das Geschirr. Danach sassen wir gemütlich zusammen und wir pflegten intensiv die Kunst des Stegschnaks. Heinz hatte als Motorbootskipper und ehemaliger Regattasegler natürlich ein doppelt so reiches Repertoire wie ich als Langfahrtensegler.
Am nächsten Morgen kroch ich ziemlich zerknittert aus der Koje. Es war A***kalt gewesen in der Nacht. Heinz hatte mit zwar hoch- und heilig versprochen, dass der mir zur Verfügung gestellte Schlafsack warm genug sei und ich damit bestens ausgerüstet sein würde. Aber eben. Prinzesschen Erster Maat befand den Schlafsack als unzureichend.
Nach dem Frühstück gingen wir ins Städtchen und ich stürmte die Läden auf der Suche nach einer Wärmflasche. Die fand ich wenig später in einer Apotheke und wir begossen meinen «Fang» mit einer Tasse Kaffee.
Bald darauf waren wir wieder unterwegs und hatten schon bald das erste Hindernis vor uns. Ind Delfzijl wurden offenbar fleissig Frachtschiffe gebaut und so versperrte uns ein funkelnagelneuer…was immer das Ding auch war…den Weg zur Zeesluis Delfzijl.
Irgendwann quetschten wir und an der Fuhre vorbei und schafften es noch rechtzeitig, Links zur Schleuse abzubiegen, die das Kanalsystem vom Meer abschottete.
Nach der Schleuse konnten wir in den Zeehavenkanal einbiegen. Dieser mündete in die Ems, die kurzzeitig die Grenze zwischen Holland und Deutschland bildete.
Da hatte Skipper Heinz ganze Arbeit geleistet! Dank seiner Berechnungen spülte es uns auf der Ems ordentlich unserem nächsten Ziel entgegen!
Und so hatten wir einen Logenplatz auf der einlaufenden Ems. Emden lag bereits hinter uns und rechts lag Ditzum. Einfach nur schön!
Dann kam das Emssperrwerk, ein Hochwassersperrwerk. Wir flutschten nur so durch und bald schon wurde die Landschaft natürlicher.
Wir folgten den sanften Biegungen des Flusses und genossen bei schönem Wetter die immer noch sehr flache Landschaft.
Es wurde enger und kurviger. Ab und zu hatten wir auch Gegenverkehr, der sich gegen die immer noch einlaufende Strömung ankämpfte, während wir immer noch Flussaufwärts gespült wurden. Kurz vor unserem nächsten Ziel fingen wir an uns vorzubereiten, denn wir mussten…
…bei der Schleuse Weener im richtigen Moment mit Vorhalt in die Schleuseneinfahrt einbiegen. Ansonsten würden wir entweder an einem der Pfosten landen oder im schlimmsten Fall gar stranden. Skipper Heinz schaffte das heikle Manöver mit Bravour, es machte Schwupp, und wir standen im Stillwasser vor dem Schleusentor.
Nach der Schleuse bot sich dieser Anblick. Das Städtchen Weener. Wow! Das sah ja super aus!
Es war das erste mal, dass wir unseren Anleger/Apèro auf dem sonnigen Deck nehmen konnten, yay! Danach gingen wir zum Einkauf ins Städtchen und es gab einiges zu sehen.
Weener Wildlife.
Wir entdeckten diese Statue. Erst fragte ich mich, was die zwei Frauen denn darstellten. Und als ein Bewohner vorbeilief und unsere fragenden Blicke sah, hielt er kurz inne um sich mit uns zu unterhalten. So erfuhren wir, dass wir hier in einer Gegend waren, wo Jahrhunderte lang Torf gestochen wurde. Die harte Arbeit wurde von den «Törfwiefkes» verrichtet, denen zu Ehren diese Denkmal errichtet worden war.
Den Abend verbrachten wir wieder beim Skipper’s Dinner, Maat’s Abwasch und Stegschnak. Am nächsten Morgen war das Wetter nicht mehr so doll, als wir schon bald wieder die Schleuse zur Ems passierten.
Kurz hinter Weener lag die Friesenbrücke, eine Eisenbahnbrücke, die am Abend des 3. Dezember 2015 von einem Frachtschiff das die Brücke rammte, offiziell ausser Betrieb gesetzt wurde. Für uns bedeutete das jedenfalls freie Fahrt und freie Sicht auf ein Brückenwrack.
Danach wurde es wieder wilder und kurviger. Wir konnten vom Logenplatz aus Wildvögel beobachten, die sich von dem einsamen Motorboot nicht beim Nestbau stören liessen.
So gegen Mittag kamen wir beim Abzweiger zum Küstenkanal an Dort musste wir links in den von Menschen gemachten Verbindungskanal Ems-Weser ein.
Und zum ersten Mal seit wir unterwegs waren, sahen wir ein anderes Sportboot. Was für ein Zufall!
Das war nicht etwa das Wasser aus unserem Fäkalientank, sondern Wasser aus dem Moor. Definitiv.
Zuerst kamen ein paar dieser Nackenkribbler, die wir mit zum Teil heruntergeklapptem Antennenmast befahren mussten.
Auch Gegenverkehr gab es hin- und wieder. Dem gingen wir gerne aus dem Weg. Kurz vor Oldenburg konnten wir an einem privat geführten «Yachthafen» (Mole für 2-3 Boote) anlegen. Inzwischen regnete es Bindfäden und so konnten wir keinen Gebrauch machen von dem hübschen Kiosk/Würstchenbude/Garten. Aber dafür gab es beheizte Duschen und Toiletten.
Und nach einem Skipper’s Dinner kuschelte ich mich mit meiner Wärmflasche in die Koje und schlief wie ein Stein.
Am nächsten Morgen kam dann schon bald die Schleuse Oldenburg und das Hafenhaus Oldenburg, das aber leider zu war. Es hatte leicht zu Nieseln angefangen und so mussten wir halt den Kaffee auf dem Boot nehmen, um die Wartezeit zu überbrücken.
In Oldenburg selbst wurde es dann richtig stressig, denn hier gab es viel Verkehr auf dem Wasser. Einmal wurden wir unsanft via Fung zusammengetaucht, weil wir uns offenbar – nach Meinung des Brückners – an der falschen Stelle hatten vertäuen wollen, um auf die Öffnung der Cäcilienbrücke zu warten, autsch!
Hinter Oldenburg war dann auch schon das nächste Hindernis, die Eisenbahnklappbrücke über die Hunte.
Hunte, Schafe, schön…!
Kurz hinter Elsfleth mussten wir noch einmal ein Gezeitenwehr und eine Eisenbahnbrücke queren und konnten in die Weser einbiegen Richtung Bremerhaven. Dabei passierten wir Ortschaften mit so blumigen Namen wie »Ovelgönne» oder «Wulsbüttel».
Auf der Weser ging dann ordentlich die Post ab. Es windete wie verrückt und wir hatten diesen Zustand von Wind gegen Welle, den ich so gut vom Segeln her kannte. Was beim Segeln ordentlich ruppig werden konnte, verwandelte die Wandering Star in einen Spielball der Natur.
Es spritzte, heulte und schaukelte. Wir mussten sogar die Scheibenwischer in Betrieb nehmen, obwohl es gar nicht regnete. Aber wir hangelten uns strikt der Fahrwasserlinie entlang, bis nach etwa 20 Seemeilen Schotterpiste fahren Bremerhaven in Sicht kam.
Dann musste der Skipper wieder einmal seine Steuerkünste einsetzen, damit wir unbeschadet in die Schleuse Neuer Hafen einbiegen konnten. Puh! Was für ein Höllenritt! Und dahinter lag unser Ziel für diesen Tag.
Nach der Schleuse Neuer Hafen konnten wir ohne Geschaukel in der praktisch leeren Marina anlegen. Nur als wir dann im Marinabüro dazu angehalten wurden, den Platz zu wechseln, weil wir offenbar einen Platz für grössere Boote erwischt hatten, schauten sich Heinz und ich ziemlich verdutzt an: Erwarteten die noch Besuch von einer Megayacht oder was? Nach ein wenig Diskussion konnten wir dann aber an dem Platz bleiben an dem wir lagen.
Danach ging es noch zum Einkauf in die Stadt, aber Abendessen gabs wieder auf dem Schiff. Und ich hatte mir nach längerem Suchen noch eine SIM Karte für Deutschland ergattert (Ich hatte mein Büro mitgenommen) und konnte wenig später beruhigt in meinen Mails lesen, dass zur Zeit keine Arbeiten anstanden. Super, so konnten wir entspannt den nächsten Teil unserer Mission angehen.