Mal was Neues!

Hagel! Aber echt jetzt?! Und wir hatten schon gedacht, dass wir ausser Schnee schon alles auf unserem Boot gehabt hätten. Wir hatten weissen, roten und schwarzen Sand an Deck. Hatten eine Teerschicht über dem ganzen Schiff verteilt, die uns noch Monat später Putzorgien bescherte. Wir hatten fliegende Fische und Insekten jeder Bauart an den Scheiben. Regen sowieso. Aber Hagel? Das war echt was Neues.

Die vier Musketiere

Wir hatten uns ja in Kassiopi zwischen zwei englische Crews gequetscht. Auf der einen Seite ein älteres Päärchen mit ihrer eigenen 36-Fuss Nussschale und auf der anderen Seite ein Charterboot mit drei offenbar sehr lebenslustigen englischen Damen und einem eher beleibten Herrn, den wir aber erst später entdeckten. Wir kamen aber mit beiden Crews sofort ins Gespräch und wussten schon bald, dass dies eine vergnügliche Hafen-Runde werden würde.

Es war herrliches Wetter und fast nicht zu glauben, dass es hier bald stürmen sollte. Und so montierten wir unser Sonnendach, um uns gegen die Hitze zu schützen. Irgendwann am späteren Nachmittag kam dann noch eine Deutsche Crew mit einem richtigen Rennboot daher und legte sich ebenfalls an den Pier. Und so ging jede Crew ihren Bedürfnissen nach und irgendwann kehrte Ruhe ein am Quai.

Irgendwann mitten in der Nacht ging es dann los, Monsunartiger Regen, Windgeheul und eben besagter Hagel. Wir dichteten notfallmässig auch noch die kleinsten Ritzen ab und harrten der Dinge die da auf uns einprügelten. Und das alles im Pyjama. Unser Sonnen- und seit neuestem auch Regendach hielt sich wacker, sogar gegen besagten Hagel. Und AnnaSophie mit ihren 12 Tonnen schaukelte leicht am Anker. Alles Palletti. Ab zurück ins Bett.

Aber kaum waren wir im Bett, hörten wir um uns herum Geschrei. Offenbar war eine Crew in Not und wir als verantwortungsvolle Segler mussten natürlich wissen, was sich da abspielte. Also wieder raus aus der Koje, Regenjacke übers Pyjama und raus in den Regen. Und siehe da! Der Anker der Crew zu unserer Linken hatte sich losgerissen und das ältere Englische Pärchen musste das Anlegemanöver neu fahren. Und das mitten im Orkan, der inzwischen auf über 60 Knoten zugelegt hatte.

Es war selbstverständlich, dass wir da halfen. Inzwischen hatte sich auch die Crew der Deutschen Rennyacht daran gemacht, an ihren Boot alle Leinen und Ketten zu überprüfen. Aber dort schien kein Handlungsbedarf.

Nur auf dem Charterboot rechts von uns schien die Crew nichts mitzubekommen von dem Orkan, der ihr Boot ziemlich happig durchschüttelte. Beneidenswert, wie gut manche Leute bei solchem Wetter schlafen können…!

Michael und Heather – wir duzten uns seit kurzem –  hatten es nach einigen Versuchen geschafft, den Bug Anker ihres Bootes sicher einzufahren und hatten sich mit unserer Hilfe wieder sauber am Quai vertäut. Und wir waren inzwischen nass bis auf die Haut. Offenbar eignen sich Pyjamas nicht als Regenbekleidung, wer hätte das gedacht!

Dann schrie jemand von der deutschen Rennyacht Crew plötzlich „das Charterboot hat sich losgerissen!!“ Und tatsächlich! Das Charterboot wurde vom Wind immer mehr an den Quai und gegen unser Boot gedrückt.

Irgendwann erschien dann ein erstauntes Gesicht im Niedergang der Charteryacht und bald wurde uns klar, dass dies offenbar die Skipperin war. Später erfuhren wir dann noch, dass dies ihr erster Törn überhaupt war nach ihrer Ausbildung und wir stellten schnell fest, dass sie ganz klar mit dieser Situation überfordert war. Ich erinnere mich noch genau an ihre Worte „ does it always roar like that?!?“  Oder etwa so übersetzt „das hab ich aber nicht gebucht!“ wir waren fassungslos und starrten uns gegenseitig an.

Die Deutsche Crew und Skipper Max erklärten der Frau, dass ihr Anker ausgerissen war und sie das Anlegemanöver neu fahren müsse. Die arme Frau fiel fast in Ohnmacht. Vom Rest ihrer Crew war immer noch nichts zu sehen.

Aber es gab Wichtigeres zu tun als Anfänger zusammenzustauchen. Boote mussten vor dem Ruin gerettet werden. Und so sagte Skipper Max bereitwillig zu, anstelle der Skipperin das Manöver zu fahren und ein Rennyacht-Crewmitglied stellte sich ans Ankergeschirr. Ich und ein anderes Crewmitglied würden die Leinen am Quai klarieren. Gesagt – getan. Und schon bald stand das Charterboot wieder sicher da. Und die Skipperin wie ein begossener Pudel.

Doch dann machten uns Michael und Heather darauf aufmerksam, dass sich AnnaSophie inzwischen gefährlich schräg an ihre kleine leichte 36 Fuss Yacht lehnte.

Ach du Schreck! Nun hatte sich auch noch unser Anker gelöst! Während Max noch mit dem Sichern der Charteryacht beschäftigt war, kletterte ich zurück auf unser Boot, warf den Motor an und stabilisierte mit leichtem Vorwärtsschub unser Boot. Dies nahm den Druck vom Nachbarboot und drückte uns weg vom Quai.

Bald war Max wieder da und während uns die Deutschen versprachen, unsere Leine zum Quai zu klarieren, wiederholten nun auch Max und ich das Anlegemanöver. Diesmal mit 60 Meter Kette, die wir durch den ganzen Hafen auslegten.

Ouf! Geschafft! Um vier Uhr Morgens standen vier klitschnasse Crews bei immer noch fast 45 Knoten Wind auf dem Quai in Kassiopi, wischten sich den Schweiss von der Stirn und philosophierten über die optimale Dicke und Länge von Festmacherleinen. Nachdem wir uns alle gegenseitig noch eine gute Restnacht gewünscht hatten, verschwanden alle wieder in ihren Booten.

Trotz all dem Getöse rund um uns herum war es wieder einmal schön gewesen zu erleben, wie wildfremde Menschen in Sekunden zu Teams zusammenwachsen konnten, Rang und Namen bedeutungslos, um Unheil gemeinsam zu bekämpfen.

Und um sieben Uhr ging es dann los mit Blitz und Donner. Wieder schnellten wir aus den Betten, packten unser gesamtes elektronisches Equipment und stopften so viel wie möglich davon im den Backofen, unseren Teilzeit Faraday’schen Käfig. Der Rest kam in die Eisen Box, die uns ein Freund für eben diesen Zweck einmal angefertigt hatte. Und es krachte und blitzte und das Boot schüttelte sich wieder heftig in den Windböen. Nur diesmal schien alles zu halten.

Würde das denn niemals enden? Doch irgendwann ging das Donnerwetter in Dauerregen über, der uns sanft zurück in den wohlverdienten Schlaf murmelte.

Nach dem Aufwachen bot sich uns dann dieses Bild. Das haben wir aber nicht gebucht! schoss es mir durch den Kopf. Aber was soll’s, wieder mal ein Hafentag war auch nicht schlecht und ich musste ja eh noch arbeiten.

Also, in die Hände gespuckt und ran an den Computer! Aber schon bald war uns klar, dass da etwas nicht stimmte. Kein Landstrom und kein Internet! Nicht mal das Telefon funktionierte! Ja Himmisackra! Und ich musste doch meine Daten übermitteln!

Na gut, schnell alles zusammenpacken und ab ins nächste Lokal. Da ich schlechte Erfahrungen gemacht hatte mit den WIFI Netzen von Bars und Cafe’s, steuerte ich zielgerichtet auf ein Hotel zu. Dort war man grad damit beschäftigt, den Boden des Restaurants von überschüssigem Regenwasser zu befreien.

Ich erklärte mein Dilemma und man gab mir ohne weiteres Zugang zum Hoteleigenen WIFI. Als ich die nette Dame auf das Donnerwetter von letzter Nacht ansprach, verdrehte diese nur die Augen und meinte, ja, auch bei ihnen hätte das Wetter ordentlich zugeschlagen. Manche Orte auf der Insel seien immer noch ohne Strom. Und wie auf ein Stichwort ging im ganzen Hotel das Licht aus.

Mit einem Stöhnen in meine Richtung und auf griechisch Befehle schreiend verschwand die Dame irgendwo im Dunkeln.

Aber bald schon war der Strom wieder da und ich konnte wieder arbeiten und – unterbrochen durch zwei weitere Stromunterbrüche – meine Arbeiten am Schluss auch übermitteln.

Und am Nachmittag schien dann sogar die Sonne wieder und die Crews, die in der Nacht gemeinsam an der Quaimauer gekämpft hatten, tauschten Erfahrungen und Adressen aus. Und auch die arg zerzauste und schwer zerknitterte Skipperin vom Charterboot bedankte sich noch einmal ausgiebig und kleinlaut bei allen für die Hilfe von letzter Nacht, während sich ihre Crew schon wieder in knappen Bikinis auf dem Vorschiff sonnte. Wir haben ihr jedenfalls gut zugeredet und sie motiviert, nicht aufzugeben.

Das war alles o.k. so. Denn das ist ja das spannende am Segeln. Man absolviert eine harte Ausbildung und kaum hat man die abgeschlossen, fängt das Lernen erst so richtig an. Und es hört bis zu dem Tag nicht auf, an dem man Schiffsplanken für immer verlässt.

P.S. O.k. das mit der Schwimmweste war leicht übertrieben. Aber Wetterfeste Pyjamas wären angebracht gewesen.

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