Herbst

In der Bucht von Sa Marigosa war es noch ordentlich schön als wir den Anker lichteten. Aber das sollte nicht lange so bleiben. Denn kaum hatten wir Segel gesetzt, ging die Post ab.

Zwar kam der Wind noch genau aus der Richtung wo wir hin wollten. Aber das war für uns schon lange kein Problem mehr. Wir segelten einfach im Zickzack der Küste entlang und machten Sightseeing. Mal war die Küste weiter weg…

 …und mal war sie Näher. So wie hier Santa Caterina, das wir schon von sehr nahe bewundern konnten, bevor wir uns zur Wende entschlossen. Und so hangelten wir uns gemütlich die Küste hoch, bis uns ein Kribbeln im Nacken…

…dieses Unheil ankündigte! Wow! Da waren wir vorhin noch herumgegondelt. Und um festzustellen, ob wir wohl bald einmal nass und durchgeschüttelt werden würden…

…schalteten wir kurz den Radar ein. Aha! Das böse Teil würde hinter uns vorbeiziehen. Ouf, Schwein gehabt.

Und so aus der sicheren Distanz gesehen, sah so ein Unwetter eigentlich ganz hübsch aus.

Und inzwischen waren wir auch noch in den Genuss des mit dem Unwetter verbundenen Windes gekommen und so pustete es uns so richtig schön unserem nächsten Ziel entgegen, dem Städtchen Bosa…

…wo wir uns Eingangs des Flusses Temo in die Marina Porticcolo di Bosa verholten. Die Marina war eine ziemlich abenteuerliche Konstruktion von Schwimmstegen, aber das Anlegen klappte auf Anhieb.

Und kaum hatten wir die Marineros verabschiedet, die uns beim Anlegen behilflich gewesen waren, kamen drei Leute auf uns zugestürzt und begrüssten uns freudig! Nanu? Kannten wir die etwa?!? Max und ich schauten uns verwirrt an. Hey you guys! It’s us! Your Neighbors from Torre Grande!

Ach du dickes Ei! Das waren ja die Streithälse von vor drei Tagen! Mit einem gequälten Lächeln sagten wir Hi! Aber sie schienen sich ehrlich zu freuen über uns und so stellten wir uns einander vor. Das waren also Paul, der Skipper und Eigner der «Black Pearl» (das Boot, das vor drei Tagen zu nah am Felsen geschwoit hatte), Dirk und Dominique, die Crew. Und da es angefangen hatte zu regnen, luden wir die Drei zu einem Drink auf unser Boot ein, was sie freudig annahmen.

Und so erfuhren wir bei einem Glas Wein, dass Paul die beiden via einer englischen Website, die Skipper und Crew vermittelt, kennen gelernt und angeheuert hatte. Im Deutschen hiess das «Hand gegen Koje». Dirk aus Dänemark wollte von Porto Torres aus wieder nach Hause reisen und Dominique, die aus Kanada war würde den Skipper bis nach Olbia begleiten. Wir stellten fest, dass sich die Crew der Black Pearl offenbar zusammengerauft hatte, wir jedenfalls hatten diesmal den Eindruck, dass sie sich bestens verstanden.

Und wieder wurde es ein gemütlicher Abend, sie besichtigten unser Boot und waren alle drei restlos begeistert von unserer AnnaSophie. Nur als ich die Rudersäule demonstrierte und stolz auf die Frauenfreundliche Positionierung des Gashebels hinwies, korrigierte mich Dominique umgehend daraufhin, dass der Gashebel Gender friendly sei. Das daraufhin entstandene Luftvakuum im Cockpit und bei den zwei Männern der Black Pearl liessen Max und mich blitzartig erkennen, warum auf deren Boot so dicke Luft geherrscht hatte.

Einen Moment lang verschlug es mir die Sprache, aber als ich Dominique fragte, wie oft sie denn schon Segelboote in Marinas ein parkiert hatte, war das Thema Gottseidank erledigt.

Wir tauschen Infos und auch bei ihnen waren die zunehmenden Herbststürme hier in der Gegend ein Thema. Wir spannen noch viel Seemannsgarn und vergassen darob fast das Abendessen. Wir verabredeten, beim nächsten Treffen alle zusammen essen zu gehen. Und dann waren wir schon bald Bett reif und plumpsten müde in die Kojen.

Bosa (das Bild hab ich geklaut von der Tourismus Website, sorry) war die selbsternannte bunteste Stadt von ganz Sardinien. Schade, dass es während unserem Aufenthalt so viel geregnet hat, denn so bekamen wir das Städtchen nie in dieser Form zu Gesicht. Aber das war nicht weiter schlimm, dafür konnten wir den Ort ohne Touristenströme geniessen.

Ich hatte immer noch viel Arbeit und so entschieden wir uns, zwei Nächte hier zu bleiben. Da die Marina einiges ausserhalb der Stadt lag, kamen unsere Brommies in Einsatz, wenn wir einkaufen mussten. Und einmal assen wir hier in einer Trattoria zu Abend. Aber so richtig in Tourismus Modus kamen wir nie. Was das Wetter doch so alles ausmacht…!

Nach zwei Tagen in Bosa, in denen ich einiges an Arbeit erledigen konnte, war das Wetter und unsere Stimmung wieder besser und wir setzten Segel. Es waren zwar nur etwa 26 Seemeilen bis Alghero, aber es wurde ordentlich knifflig. Etliche Winddreher und happige Böen machten das Etmal zu einer Herausforderung. Aber wir schafften es und je näher wir Alghero kamen, um so sanfter wurde der Wind.

Die von hohen Mauern umgebene Stadt machte einen trutzigen Eindruck. Wir waren jetzt schon gespannt, wie es wohl hinter den Mauern aussah.

Wir konnten noch gemütlich bis fast vor die Hafeneinfahrt segeln und als wir in die Marina di Sant’Elmo einliefen, wurden wir wiederum von der Crew der Black Pearl mit viel Winken und Gejohle empfangen. Sie hatten uns sogar einen Platz neben ihrem Boot freigehalten und wir nahmen das Angebot dankend an und parkierten AnnaSophie neben die Black Pearl.

Dann verabredeten wir uns noch wie versprochen zu einem gemeinsamen Abendessen, liehen Dirk eines unserer Brommies aus und machten uns bereit für den Landgang.

Die Altstadt mit der imposanten Festungsmauer war nur ein Steinwurf entfernt – im wahrsten Sinne des Wortes… ?

Man konnte sehen, dass die Stadt eine blühende Vergangenheit hatte und Umkämpft gewesen war. Alghero war Zeitweise sogar von den Katalanen beherrscht gewesen und hiess damals L’Alguer. Leider weiss ich nicht mehr, was L’Alguer bedeutet. Die Einwohner sprachen noch heute einen Dialekt, der eine direkte Mischung des Katalan und der Sardischen Sprache waren. Sogar die Strassen waren immer noch Zweisprachig angeschrieben.

Wir schlenderten erst mal der Mauer entlang rund um die Altstadt. Da es inzwischen wieder sehr heiss geworden war, mussten wir natürlich immer wieder mal an einer Bar halt machen und unseren Flüssigkeitshaushalt mit Prosecco ausgleichen.

Wir schlenderten durch enge schattige Gassen und über belebte Plätze, fanden den einen oder anderen piccolo Negozio, in denen wir uns mit Leckereinen – vor allem in flüssiger Form – eindeckten und unsere Schätze zum Schiff zurückschleppten.

Als wir bei der Diocesi di Alghero-Bosa um die Ecke bogen, gab es plötzlich kein Durchkommen mehr. Es wurde geheiratet. Unfreiwillig, aber mit sehr viel Interesse verfolgten wir das Spektakel. Ich warf den bis unter die Haarspitzen aufgebrezelten Weiblichen Hochzeitsgästen neidische Blicke zu.

Ich, die ich mit meinen ausgelatschten Bordschuhen und Sonnengebleichten Klamotten unterwegs war und weder Windstärke 10 noch 5 Meter Wellen scheute musste mir plötzlich eingestehen, dass ich nicht mutig genug war, um mich auf solche endlos hohen Schuhe zu stellen und ich nicht mal einen Meter weit über das Mittelalterliche Kopfsteinpflaster käme.

Ah! Sono bellissime, le donne Italiane!

Dann kamen Braut und Bräutigamunter gejohle und geklatsche aus der Kirche und als die Braut jubelnd die Arme hochwarf, konnten wir uns ein Schmunzeln nicht mehr verkneifen. Der Vergleich mit einem Boxkampf, bei dem Weiss offensichtlich gewonnen hatte war einfach zu komisch!

Wir stellten frotzelnd fest, dass die Tüllwolke der Braut wahrscheinlich mehr gekostet hatte als die neue Segelgarderobe, die wir uns für AnnaSophie wünschten. Und als sich die Menschenmenge langsam lichtete, waren wir wieder auf dem Boden der Realität angekommen und waren ganz zufrieden mit unserem ehelosen «Schicksal».

Wir zogen weiter und bewunderten noch die von den Bewohnern Handgefertigten Lampione, die überall in der Stadt aufgehängt waren. Wir spazierten zu Boot zurück und bereiteten uns auf den Abend vor.

Und so sahen die Lampione dann aus am Abend. Hübsch, nicht?

Wir trafen uns mit der Crew der Black Pearl in einem der vielen Ristoranti auf der Piazza Civica und verbrachten einen lustigen Abend. Wir verabschiedeten uns gleichzeitig von Dominique, Paul und Dirk, denn sie wollten weiter und wir wollten noch einmal einen Hafentag einlegen, da ich immer noch viel Arbeit hatte.

Und so kam es, dass die Black Pearl schon weg war als wir am nächsten Tag aufstanden.. Nach dem Frühstück verzog ich mich hinter den Kartentisch und klappte meinen Compi auf und Skipper One werkelte am Boot herum.

Nachdem ich ein ganzes Stück Arbeit erledigt hatte, gingen wir zu meiner Belohnung in einem Ristorante essen, das uns schon beim Spaziergang auf der Festungsmauer aufgefallen war. Wir ergatterten einen Platz draussen, mit Sicht auf’s Meer.

Skipper One bekam vom Personal des Ristorante Mirador Fritto Misto und ich einen Berg von leckeren Tortellini vorgesetzt Und während wir draussen sassen und unser Essen verspeisten, sinnierten wir darüber, ob man in der Schweiz wohl auch noch draussen essen konnte oder nicht. Wir genossen diesen Abend jedenfalls in vollen Zügen.

Am nächsten Tag legten wir ab und machten uns auf den Weg quer über die Bucht. Und beim Ausfahren fiel uns auch das Segelboot auf, das anscheinend nicht so viel Glück gehabt hatte wie wir und auf der kleinen Insel Isola della Maddalenetta aufgelaufen war. Wieder malte ich mir die verschiedensten Geschichten aus, die sich hinter so einer Strandung verbergen konnten. Viel Elend, das uns hoffentlich erspart bleiben würde…!

In der Bucht war eine Regatta in Gange zwischen Alghero und Fertilia, die wir wieder einmal gewohnt souverän aufmischten. Die Regatta Boote hatten keinen Stich gegen uns.

Nicht dass ich angeben will oder so. Nie im Leben würd ich das machen…!

Und da vorne konnte man schon unser Ziel sehen, die Bucht Porto Conte mit dem beeindruckenden Kap Capo Caccia.

Und je näher wir kamen, um so atemberaubender wurden die Eindrücke. Das Kap lag im Parco Naturale Regionale di Porto Conte und wir konnten schon von Weitem sehen, dass wir wahrscheinlich das einzige Boot sein würden, das sich hier für die Nacht niederliess.

Dank des schönen Windes konnten wir noch unter Segel eine Sightseeing-Tour durch die weite Bucht machen und uns aussuchen wo wir ankern wollten! Hier war effektiv die Saison vorbei, die Rollläden der Hotels heruntergelassen.

Wir entschieden uns für die Cala Tramariglio  und siehe da! Die Black Pearl lag bereits an einer der in der Bucht ausgelegten Bojen! Wir winkten einander zu und Max und ich versuchten, den Anker sicher einzufahren. Aber wir fanden keinen Halt, auch nach mehreren Versuchen nicht. Seufzend nahmen wir eine der Bojen ins Visier, fuhren sie Fachmännisch an und voilà! Da lagen wir.

Aber es gefiel uns auch an dieser Boje nicht, da wir dem Grund sehr nahe gekommen wären, hätte der Wind gedreht. O.k. Nächste Boje. Diesmal stimmte alles und wir konnten uns beruhigt auf die Ankunft eines Kassierers vorbereiten. Aber es kam niemand. Saison vorbei, Boje gratis. Bene.

Hier konnten wir noch schwimmen und planschen und anschliessend auf den warmen Planken an der Sonne liegen.

Sonnenuntergang und rechts im Bild die Black Pearl mit gesetztem Ankerlicht.

Den Sundowner nahmen wir in der Cockpit Lounge ein. Sanfter Wind drehte AnnaSophie, sodass wir immer wieder mal eine andere Ansicht der Bucht geniessen konnten. Das war wieder einmal einer dieser Momente, die man am liebsten in Stein gemeisselt hätte – oder im Blog verewigt…!

Am nächsten Tag war die Black Pearl schon weg und wir fragten uns, wo wir sie das nächste mal sehen würden.

Wir sattelten Seppi, luden unsere Brommies ein und düsten zum Porticciolo turistico di Cala Tramariglio. Aber auch hier war alles zu. Was nicht weiter schlimm war, hatten wir uns doch in Alghero noch voll Verproviantiert.

Und auch der Ort schien nur eine im Sommer belebte Ortschaft zu sein. Wir sahen jedenfalls keine Mojito Bar. Und so fuhren wir den Berg hinauf und konnten uns schon auf halbem Weg von der atemberaubenden Aussicht verzaubern lassen!

Oben angekommen war dann erst mal Schluss mit Strasse. Von jetzt an mussten wir unser Abenteuer zu Fuss bestreiten…

…und der Fussweg hatte es ordentlich in sich. Ein in die fast senkrechten Felswände gehauener Pfad führte uns erst mal nur Bergab, bis wir fast die Meereshöhe erreichten.

Nach über 600 Stufen hatten wir unser Ziel erreicht, den Eingang zur Neptun-Grotte. Zu unserer Überraschung standen dort schon viele Touristen herum. Erst nachdem uns ein Schild über die Vorsichtsregeln an der Bootsanlegestelle aufgeklärt hatte, begriffen wir, dass all die Leute «bequem» mit dem Boot von Alghero gekommen waren.

Wobei, wenn ich mir so anschaute, wie sich die Leute vom Ausflugsboot über die wackelige Planke auf die Felsen werfen mussten, war ich wieder zufrieden mit meinen 600 Stufen Abstieg. Und dass ich die 600 Stufen wieder würde hochklettern müssen, das blendete ich einfachheitshalber erst mal aus.

Wir schlossen uns einer geführten Gruppe an und wurden ins Innere der Grotte geleitet. Da sich die Grotten fast auf Höhe des Meeresspiegels befand, war der erste Teil von Meerwasser geflutet.

Die salzige Luft hatte die Wände im Gegensatz zu einer geschlossenen Höhle in ein buntes Gemälde verwandelt.

Und offenbar war die Grotte früher bei Sturm auch Zufluchtsort für Fischer gewesen.

Aber nicht nur das Meer hatte der Grotte ihren Stempel aufgedrückt, sondern auch das Frischwasser.

Es gab interessante Gesteinsformen, die ich so noch nie gesehen hatte in einer Höhle. Leider war der zu besichtigende Teil nur klein und die Führung damit schnell zu Ende. Schade.

Und dann ging’s wieder bergauf! 600 Stufen. Ächz! Ich war fix- und fertig und wähte mich dem Herztod nahe, als ich den Aufstieg – mit mehreren Verschnaufpausen – hinter mir hatte. Mit wackeligen Knien sattelten wir unsere Brommies und liessen uns bergab rollen. Was für eine Wohltat!

Und dieses Panorama auf dem Heinweg machte alles wieder gut.

Bald darauf waren wir zurück auf dem Boot und genossen einen weiteren perfekten Sonnenuntergang. Hier gefiel es uns so gut, dass wir uns spontan dazu entschlossen, noch einen Tag länger hier zu bleiben. Und inzwischen waren wir wohl die einzigen Menschen die sich in der Bucht aufhielten. Was für ein Wahnsinns Gefühl!

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