Heja! Sweden!

Als wir nach der stürmischen Überfahrt von Fehmarn in der Marina von Ystad ankamen, war das wohl die bizarrste Ankunft seit langem. Offenbar hatten viele Crews hier in der Marina den Sturm ab­gewettert. Denn als wir morgens um neun ein wenig zerzaust aber heil und (fast) ganz in die Marina einfuhren, recken sich viele Köpfe mit grossen Augen nach uns und nicht wenige Crewmitglieder von anderen Booten kamen zu uns herüber um zu fragen, ob alles o.k. sei. Ja, so langsam haben wir das Hochsee Segeln im Griff.

Kaum hatten wir uns Ausgehfein gemacht war auch schon das gefiederte Begrüssungskomitte hier um uns in Schweden willkommen zu heissen. Überhaupt würden ganze Rudel von Schwänen auf dem offenen Meer für uns bald zum Tagesablauf gehören. Wahrlich, eine echte Konkurrenz für die Möven…!

Am nächsten Morgen musste Max für zwei Wochen geschäftlich in die Schweiz zurückkehren. Aber mir würde nicht langweilig werden hier. Es gab viel zu tun. Schiff wieder mal gründlich reinigen, diverse Teile montieren, Ystad anschauen, Motorservice organisieren, usw. Aber erst würde ich mal meine angeknackste Rippe auszukurieren, die tat immer noch sauweh!

Ystad war sehr hübsch und gepflegt und Ausgangspunkt für Ausflüge zur Insel Bornholm. Ausserdem war es der Schauplatz der berühmten Wallander Krimi-Serie. Ystad war aber auch sehr provinziell. So musste ich für grössere Einkäufe bis nach Malmö reisen weil ich zu Fuss nicht bis zu den grossen Einkaufszentren kam.

Aber ich war ja nicht zum Vergnügen hier. Die Arbeit schrie mir auf unangenehmste Weise ins Ohr. Na dann halt. Und schon bald waren die Handtuchstangen im Bad montiert. Ha! War schon ein gutes Gefühl, selber was machen zu können, und das obwohl unser Boot ja perfekt war… 😉

Dann war da noch die Sache mit den Gebrauchsanweisungen. Wie es sich für ein neues Boot gehörte, hatten wir auch eine Gebrauchsanweisung dazu bekommen die wir gleich im Handschuhfach verschwinden liessen. Ha¨! Das war jetzt natürlich ein Witz gewesen, hahaha.

Nein, wir hatten nicht EINE, sondern für jedes Bauteil eine separate, mehrsprachige Gebrauchsanweisung plus Garantieschein erhalten. Als uns die Verkäufer in Lelystad mit einem zerquetschten Grinsen im Gesicht DREI!! Bananenkisten voll mit Manuals auf’s Schiff brachten, war mir erst mal das Herz in die Hose gerutscht. Und jetzt war es an der Zeit, die Kisten aus dem Vorschiff zu holen und auf ein erträgliches Volumen zu verkeinern.

Und so war ich (nicht gelogen) eine Woche lang damit beschäftigt, aus jedem einzelnen Manual all die Holländisch/Chinesisch/Portugiesisch-Sprachigen Teile herauszureissen, die verbliebenen Deutsch/Englischen Teile nach Thema zu sortieren und einzuordnen. Eine Saubüez!! Das musste mir der Skipper bezahlen!!

Dann gab es noch Wäsche zu waschen und einen Mechanker aufzutreiben, der an unserem Motor den ersten Service machen konnte. Dies erwies sich als tückisch, da hier ja alles auf Schwedisch geschrieben wird. Und wer weiss schon auf Vorrat was Bootsmotormechaniker oder Servicefachmann für Bootsmotoren auf Schwedisch heisst…! Und nein, es heisst nicht Böötmötören Mäcken oder so, es heisst Båtmotor mekaniker.

Am Ende kalppte es doch und der Mechaniker, der extra von der nächsten grösseren Ortschaft gekommen war, war beeindruckt von unserem neuen Motor. Und vom optimalen Zugang zu selbigem. Und vom Schiff. Tja, wissen wir alles…!

Obwohl ich viel Zeit in der Marina verbrachte wurde es mir nie langweilig. Es herrschte ein stetes Kommen und Gehen. Oft war ich von sogenannten Päckli-Liegern regelrecht umzingelt. Dadurch lernte ich fast jeden Tag neue Segler kennen. Und alle hatten natürlich ihre Geschichten.

Auch hatte ich entdeckt, dass es hier in Schweden superfeine Erdbeeren gab. Erst hatte ich gar keine kaufen wollen da ich mir dachte, dass die sicher von weit her importiert würden. Aber dem war nicht so. Die Schwedischen „Jordgubbar“ sind eine Delikatesse und wachsen tatsächlich hier.

Und so gingen die zwei Wochen ohne Skipper im Flug vorbei. Ich hatte viele Bekanntschaften gemacht, hatte zum ersten mal eine Marina mit Sauna gesehen – und diese auch benutzt. Ich hatte die ersten Wörter Schwedisch gelernt, einen Stromausfall im Hafen in der WC-Anlage des Hafens durchgestanden, hatte viele gemütliche Abende in der Marinalounge verbracht, und, und, und. So sehr mir Ystad auch ans Herz gewachsen war, so sehr freute ich mich auf den Skipper und darauf dass es weiter ging.

Auch der Skipper schien auf diesen Moment gewartet zu haben, denn kaum war er wieder in Ystad, machten wir uns auch schon aus dem Staub. Simrishamn war unser nächstes Ziel. Doch dort blieben wir nur eine Nacht und holten ordentlich Anlauf für die Querung der Hanöbucht.

Der nächste Tag war phantastisch. Strahlend blauer Himmel aber nur wenig WInd. Auf dem Weg über die Hanö Bucht versuchten wir wieder einmal, unsere Reisegeschwindigkeit mit Hilfe unseres Gennakers zu erhöhen. Aber es war wie verhext. Auch dieses mal endete das Manöver im Desaster, als der Wind plötzlich zulegte. Doch dank extensivem Einsatz von Fluch- und Schimpfwörtern und genügend kontradiktiven Anweisungen konnten wir den Gennaker diesmal ohne Masteinsatz bergen.

Gegen Abend erreichten wir die Nordseite der Hanöbucht und konnten uns partout nicht entscheiden, wo wir anker wollten. Es gab schlicht zu viele Optionen. Es war ja schliesslich unser erster Ankereinsatz und darum musste es das perfekte Plätzchen sein.

Wir warfen Anker vor der kleinen Ortschaft auf der Insel Ytterön. Wir genossen den schönen Abend in vollen Zügen und machten tausend Pläne, was wir hier an dieser schönen Küste noch alles machen wollten. Wir wollten es gemütlich nehmen, bevor wir uns mit der Familie meines Bruders in Västervik treffen würden.

Der nächste Tag war wieder wunderschön. Wir assen gemütlich Frühstück, als uns die Nachricht erreichte, dass Max‘ Mutter am frühen Morgen gestorben war.

Schock!

Das durftennicht wahr sein. Nach einer gefühlten Ewigkeit von Schockstarre realisierten wir dass wir ein, nein, tausend Probleme hatten. In einer Woche wollten wir meinen Bruder mit seiner Familie in Västervik treffen. Und wie kam Max von diesem Ankerplatz nach Hause? Und wie kam ich allein mit dem Schiff weiter? Was nun?

Wir steckten die Köpfe zusammen und hatten bald einen Plan B. Dazu mussten wir aber sofort aufbrechen Richtung Västervik.

Die Winde waren uns gnädig und wir kamen gut voran. Die Passage durch den Kalmar Sund war spannend und die enge Anfahrt im Zickzack zur Ölandsbron Brücke eine Herausforderung. Als die Brücke hinter uns lag, begann es zu dunkeln. Wir assen noch zu Abend und bald waren wir allein unterwegs. Dank der Mitternachtsonne wurde es nie ganz dunkel und nach einer wunderschönen Nachtfahrt erreichten wir morgens um neun Västervik.

In Västervik angekommen, machte sich Max am selben Tag wieder auf den Weg in die Schweiz. Die Abdankung war für den Mittwoch geplant. Am Freitag wollte er sich wieder auf den Weg machen, um am Samstag früh wieder zurück zu sein.

Und wieder hatte ich alle Hände voll zu tun. Das Schiff musste geputzt und aufgeräumt werden für den Besuch. Das Wetter war hochsommerlich heiss und versprach auch so zu bleiben für eine Weile.

Max war wie geplant schon am Freitag aus der Schweiz abgereist, war aber in Stockholm stecken geblieben weil kein Zug mehr nach Västervik fuhr. Einen Moment lang war ich nicht sicher, wen ich zuerst auf dem Schiff begrüssen würde, den Skipper oder die Gäste…!

Aber der Skipper machte souverän das Rennen. Nach seiner Ankunft stiegen wir rasch in ein Taxi und fuhren zum Supermarkt, wo wir versuchten genügend Proviant zu kaufen für sechs Personen für eine Woche. Kein leichtes Unterfangen. Weder Max noch ich hatten Familie und demzufolge keine Ahnung, wieviel Milch, Brot, etc. wir für Alle benötigen würden.

Ausserdem war alles ausschliesslich auf Schwedisch angeschrieben. Wir scheiterten schon bei der Auswahl der Kartoffeln. Woher sollen wir wissen was „festkochend“ auf Schwedisch heisst?!? Eine freundliche Kundin erbarmte sich unser und gab uns Tipps auf was wir achten sollten. Nach mehr als einer Stunde Irrfahrt im Supermarkt schleppten wir den Inhalt von zwei Einkaufswägelchen zum Taxi.

Wieder bei der Marina angekommen, war das Gate zu. Wo hatten wir den Schlüssel?! Erst mal alles ausladen und während das Taxi davon fuhr, gelang es uns das Gate zu öffnen. Und wie bringen wir jetzt all den Proviant vom Gate zum Schiff? Zum Glück wurde in der Marina gebaut und wir schnappten uns kurzerhand eine Schubkarre, mit der wir den Proviant – wenn auch unkonventionell aber dafür ohne Schlepperei – bis zum Boot transportierten. Schnell alles verräumt – und schon standen unsere Gäste da!

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