Endlich war es soweit! Nach all dem Verschieben, Umplanen und Umbuchen hatte es doch noch geklappt. Die Familie meines Bruders war wohlbehalten in Västervik angekommen. Zwar mit Verspätung aber dafür mit grossen Erwartungen. Für sie würde es das erste mal Ferien auf einer Segelyacht sein…!
Zum Glück war es nur ein kurzer Fussweg vom Bahnhof Västervik bis zur Pampas (hiess wirklich so) Marina, wo AnnaSophie geputzt und strahlend auf die Gäste wartete. Schnell das Gepäck auf dem Boot verstaut und ab in die Stadt.
Schon vor Tagen hatte ich dieses Bijou von Restaurant entdeckt. Es lag zwar am anderen Ende der Stadt aber der Spaziergang entlang der Bucht an diesem schönen Sommerabend war die perfekte Einstimmung für unsere gemeinsame Ferienwoche.
Leider hatte es auf der Terrasse und im Garten keinen Tisch mehr frei, aber dafür war das Essen vorzüglich. Und natürlich gab es Köttbullar, die schwedischen Fleischbällchen, und Fisch, und Dessert, und, und, und… Mit vollen Bäuchen machten wir uns wieder auf den Weg zu unserem Schiff zurück und unsere Gäste fielen wohl schon bald in tiefen Schlaf in ungewohnter Umgebung.
Am nächsten Morgen beim Frühstück merkten Max und ich, dass wir anstatt Milch so eine Art Yoghourt gekauft hatten. Achwiepeinlich!! Meine Schwägerin und ich hüpften in ein Taxi und ab zum Supermarkt, der glücklicherweise auch am Sonntag geöffnet war. Mit der dort erstandenen Milch gings zurück zum Schiff, wo wir das Frühstück ohne weitere (saure) Überraschungen beenden konnten. Die nicht gebrauchten Yoghourt-Packungen verschenkten wir an andere Crews, die sich darüber mehr freuten als wir.
Nachdem alle verpflegt waren und wir sicher waren, dass wir aber auch wirklich ALLES hatten, hiess es „Leinen LOS!“
Da es heute wenig bis gar keinen Wind haben würde, wollten wir nicht allzu viel Strecke machen. Und während wir unter Motor den Lusarnafjord hinaus Richtung offenes Meer fuhren, gab es ein wenig Leinenkunde. Irgendwie mussten wir ja unseren Gästen die Angst nehmen, die sie beim Anblick der Leinenberge befallen hatte.
Nach dem kurzen Abstecher auf’s Meer drehten wir um und fuhren durch die verschlungenen Schäreninseln zu unserem ersten Ankerplatz. Es nieselte ab und zu aber die Sonne zeigte sich auch immer wieder mal durch die bedrohlich wirkenden Regenwolken. Unsere Gäste Staunten ob er schwedischen, praktisch Menschen leeren Schärenwelt.
Wir warfen irgendwo im Nirgendwo des Lillasund Anker, in genügend Abstand zu einem einzigen weiteren Boot. Rund um uns herum Natur pur. Wir schienen die einzigen Menschen zu sein in diesem Universum. Alles stand still. Kein Wind, kein Zivilisationslärm, nichts! Und dann kam auch noch die Sonne zum Vorschein!
Alles war perfekt! Den beiden Jungen hat es unser Beiboot Seppi besonders angetan. Gut zu wissen, dass wir zwei Paddler an Bord hatten, die uns im Notfall nur mit der Kraft ihrer Muskeln ans rettende Land bringen würden. Oder doch nicht…? 😉
Und zum ersten mal konnten wir testen, ob es genügend Platz hatte auf dem Schiff oder ob wir uns schon am ersten Abend gegenseitig an die Gurgel gehen würden. Und ja, es hatte definitiv genügend Platz! Wir verbrachten trotz des Nieselregens einen schönen Abend.
Am nächsten Morgen lachte die Sonne mit uns allen um die Wette und nach einem ausgiebigen Frühstück…
…war es Zeit für ein wenig Fitness. Wir waren schliesslich nicht zum Spass hier! Oder etwa doch…?
Irgendwann am Nachmittag rissen wir uns schweren Herzens von unserem schönen Plätzchen los. Da es wiederum nicht viel WInd hatte, fuhren wir unter Motor zu unserem nächsten Ankerplatz. Wir kurvten dabei im Slalom durch die vielen Inseln und Inselchen, um auch ja so viel wie möglich von der Landschaft zu sehen.
Und was es alles zu sehen gab! Sogar „Seekühe“ gab es hier! Auch war die Küste von schnuckeligen Schwedischen Ferienhäuschen gesäumt und wir vergaben leidenschaftlich Punkte von 0 bis 10, nur um unseren Neid unter Kontrolle zu halten. Bis wir entdeckten, dass uns von Ufer aus neidische Blicke folgten…!
Abends warfen wir Anker in der Bucht von Längholmen. Wir erspähten vom Schiff aus ein schönes felsiges Plätzchen mit einer Feuerstelle und beschlossen spontan, ein Picknick an Land zu machen.
Und während meine Schwägerin und ich das Essen vorbereiteten, musste Seppi unser Beiboot Fähre spielen. Da wir leider kein Plastik- oder Papier Geschirr an Bord hatten, mussten wir unser Geschirr ohne Bruch bis zur Feuerstelle bringen, was nicht ganz einfach war.
Aber es ging alles gut und bald schon bruzzelten die Steaks auf dem Feuer! Das anschliessende Essen schmeckte vorzüglich und wir genossen den Skandinavischen Abend in vollen Zügen.
Am nächsten Tag wagten wir uns schon weiter auf’s Meer hinaus. Der Wind war stark, aber kam glücklicherweise von Hinten. So wurden wir regelrecht unserem nächsten Ziel entgegen gepustet. Und jetzt konnten sich alle einmal als Steuermann versuchen und machten ihre Sache auch wirklich gut.
Irgendwann bogen wir wieder ab Richtung Schären. Alle waren happy und in guter Stimmung. Auf dem Weg nach Harstena wurde es knifflig. Es lauerten böse Unterwasserfelsen! Mein Bruder stellte sich als Späher zur Verfügung und so kamen wir unbeschadet an unserem Ziel an.
Im Hafen von Harstena schien kein Platz mehr zu sein und so warfen wir kurz Anker. Wir wollten eh nicht lange bleiben. Nur schnell was zu Essen kaufen…
Den Jungs wurde nun ihr Einsatz als Dinghiruderer von vorgestern zum Verhängnis: sie mussten die ganze Familie vom Schiff bis an Land rudern. Was sie auch ohne zu murren und mit viel Körpereinsatz taten. Wir zogen das Dinghi zur Sicherheit an Land. Dann machten wir uns auf die Suche nach dem im Handbuch beschriebenen Laden.
Auf unserem Spaziergang fielen uns fast die Augen aus dem Kopf! Was für eine traumhaft schöne Insel! Das war Schweden wie im Bilderbuch.
Sogar Unkraut und ein Schrotthaufen wurden zum malerischen Foto-Objekt.
In einer versteckt gelegenen Bucht entdeckten wir eine kleine Bäckerei, in der wir uns mit Schwedischen Safran-, Zimt- und Vanilleschnecken und Brot eindeckten. Ausserdem gab es im Ort eine Rökeriet (Räucherei) in der wir frischen und geräucherten Fisch erstanden. Es war richtig richtig hart, uns von hier zu verabschieden, aber wir wollten weiter.
Kaum zurück auf dem Schiff fielen unsere Gäste der berüchtigten Sauerstoff-Krankheit zum Opfer. Zuviel Sonne, Meeresluft und Insel-Abenteuer können ja auch wirklich den stärksten Seemann umhauen, geschweige denn Frischmatrosen.
Ein wenig später als gewohnt erreichten wir die Insel Styrsö. Beim Suchen der optimalen Ankerposition rammten wir einen Stein. Dem Schiff war nix passiert, aber das Ego hatte eine ordentliche Delle verpasst bekommen!
Und wieder verbrachten wir einen friedlichen Abend an Land und Junior zeigte uns noch wie man nach Pfadfinderart Bananendessert kocht über dem offenen Feuer. Jetzt fehlten nur noch Seemannslieder, begleitet von Gitarre und Klabautermanngeschichten.
Am nächsten Tag war es schon früh sehr warm und da wir heute nicht viel Weg machen wollten, wurde noch ausgiebeig gebadet und geplanscht. Wir sicherten den Baum mit einer zusätzlichen Leine und dieser wurde zum eifrig benutzten Spielzeug, an dem sich nicht nur die zwei Jungs erfreuten. Auch wir Erwachsenen konnten für kurze Zeit wieder mal ordentlich das Kind raus lassen.
Und weiter ging die Fahrt. Unser nächstes Ziel war die Marina von Nyköping. Schon am Vortag hatten wir dort einen Hafenplatz reserviert (es war Hochsaison) und nach einem kleinen Abstecher aufs offene Meer schlängelten wir uns durch die verwinkelten Fjorde unserem Ziel entgegen.
Wir passierten auch wieder einmal einen dieser bizarren Vogelfelsen, die wir hier schon einige male gesehen hatten. Ganz schön spukig…!
Kurz vor unserem Ziel wurde es dann noch so richtig eng und wir mussten uns präzise durch das Nadelör schlängeln, da dort viel Verkehr herrschte. Aber wir schafften es ohne Probleme bis zum Hafen, wo wir uns erst mal an den Wartesteg binden mussten. Dann erfuhren wir, dass sie dort wohl unsere Reservierung erhalten hatten, sich aber ein anderes Boot auf dem für uns bestimmten Platz verholt hatte. Und wahrlich, wir konnten schon vom Schiff aus sehen, dass die Marina völlig überfüllt war.
Oops, was nun? Der Hafenmeister liess uns aber nicht hängen und versprach, uns einen anderen Platz zu finden. Nach einem Weilchen am Wartesteg kam dann der Hafenmeister mit der Nachricht, dass er einen Platz gefunden habe für uns – und zwar direkt im Zentrum von Nyköping! Woah!
Wir konnten unser Glück kaum fassen. Ein Platz mitten im Zentrum der Stadt, direkt an der Flaniermeile und in Schrittnähe zu den besten Restaurants der Stadt! Ihr glaubt es nicht?! Na, dann schaut mal auf das obere Bild, da rechts steht AnnaSophie. Und im unteren Bild: das Dinghi das zwischen den Leuten hervor lugt, gehört auch uns.
Schnell zogen wir uns um und stürzten uns ins Vergnügen. Ganz in der Nähe fanden wir ein schönes Restaurant und nach einigem Warten bekamen wir einen Tisch draussen und gönnten uns die grössten Hamburger auf der Karte! Yum!
Müde und zufrieden flanierten wir zurück zum Schiff. Verdutzt stellten wir fest, dass das hübsche grüne Hafengebäude neben dem wir lagen, eigentlich eine Bar/Disco war! Na dann Prost! Aber irgendwann war auch dort Feierabend und wir konnten alle gut schlafen.
Am nächsten Morgen gingen wir noch einkaufen, denn nach einer halben Woche vor Anker waren unsere Vorräte Alle. Und jetzt wussten wir ja wie Milch aussah…!
Schnell war alles verstaut und wir schlängelten uns wieder aus dem Fjord heraus und setzten Segel. Und wieder konnten sich die Gäste als Steuermänner versuchen. Aber gegen Abend holten wir die Segel ein und schlängelten uns wieder durch die vielen kleinen Inselchen zu unserem nächsten Ankerplatz.
Nach einer nervenaufreibenden Anfahrt warfen wir Anker in der Bucht von Läskär. Wir brauchten mehrere Anläufe, um den Anker sicher und das Schiff frei von Felsen zu plazieren.
Aber bald gab es ein feines Spaghetti-Dinner mit dem Lachs den wir auf Harstena gekauft hatten. Es war ein wenig bewölkt aber wir genossen unser Essen trotzdem im Freien.
Nach dem Essen war ich die einzige, die sich ins Wasser wagte. Offenbar war sogar dem Fotograf zu kalt, den warum sonst waren die Fotos so verschwommen!?
Während der Nacht kam ordentlich Wind auf und Max und ich entschlossen uns, den Rest der Nacht Wache zu schieben. Denn wir waren den Felsen hinter uns noch ein wenig näher gerückt. Doch die Nacht verlief ereignislos und ich konnte ein schönes Foto machen vom Sonnenaufgang.
Beim Frühstück hat der Wind wieder zugelegt. Wir essen zum ersten mal im Salon. Als ich per Zufall aus dem Fenster schaute, sah ich eine Yacht offenbar unbemannt durch die Ankerbucht fahren. Sofort hechteten Max und ich an Deck und versuchten, die Bewohner der schleifenden Yacht durch Schreie darauf aufmerksam zu machen! Nachdem die Yacht den Felsen schon gefährlich nahe gekommen war, sahen wir wie die Crew an Deck springen und die Yacht unter Kontrolle zu bringen. Phew! Das war knapp gewesen!!
Als wir uns nach dem Frühstück wieder aus der Ankerbucht schlängeln, hat der Wind schon auf Windstärke 5 zugelegt. Wir setzen die Segel verkleinert und legten Kurs an für unser letztes Ziel.
Auf dem Weg nach Nynäshamn legte der Wind ordentlich zu und wir mussten diesmal gegen den Wind ankämpfen. Das wäre jetzt wirklich nicht nötig gewesen, nach dieser Glanzwoche. Aber das gehört beim Segeln eben mit dazu. Die Stimmung auf dem Boot war trotzdem gut.
Im Hafen angekommen, machten wir uns alle zusammen auf zum Bahnhof, der gleich beim Hafen war. Bald schon winkten wir der Familie meines Bruders hinterher…! Byebye, kommt gut nach Hause. Auf wiedersehen und danke für die einmalige und von A bis Z gelungene Woche! Kommt bald wieder!!