Endlich endlich hiess es Leinen Los! Nach all den Verzögerungen waren wir froh, als wir am 14 Juni endlich Richtung Skandinavien starten konnten. Der Tag schien gut zu werden. Wir erwarteten moderate Winde und Sonne.
Und schon bald lag die Flevo Marina von Lelystad in unserem Kielwasser. Es war schon ein besonders Gefühl, AnnaSophie’s Geburtsort am Horizont verschwinden zu sehen…! Aber wir hatten keine Zeit zurückzuschauen, wir waren unterwegs in eine glückliche Zukunft mit unserem Nagel- neuen Boot.
Aber wir waren nicht die einzigen, die an diesem schönen Tag auf dem Ijsselmeer unterwegs waren. Wir sahen viele Holländische Traditionsboote und andere Segler, die sich auch auf das nur vier Meter tiefe Gewässer gewagt hatten. Und manchmal wurde es echt knapp mit der berühmten Handbreit Wasser unter dem Kiel und wir glaubten sogar manchmal mit dem Kiel den sandigen Grund berührt zu haben. Das sorgte natürlich für ordentlich Adrenalinschübe!
Nach ein paar Stunden erreichten wir die Schleuse von Makkum. Diese liegt am Nord-Östlichen Ende des Afsluitdijk (Abschlussdeich), der das Holländische Wattenmeer und seine Gezeiten und Strömungen vom Ijsselmeer fernhält. Unser Puls stieg kurzzeitig auf 200 an als wir uns in dem Gedränge in der Schleuse unseren Platz erstreiten mussten.
Nach dem Öffnen der Schleusen brach ein wildes Rennen los und alle Boote schienen gleichzeitig aus der Schleuse zu wollen. Wir konnten das nicht richtig nachvollziehen und liessen allen andern “Lady-like” den Vortritt. Erst spät am Abend sollten wir herausfinden, warum es alle so eilig hatten…! Aber erst ging es mal in einem auf den ersten Blick irren Zickzack-Kurs übers Wattenmeer der Insel Vlieland entgegen.
Dadurch dass man sich so genau an die ausgebaggerte und betonnte Fahrrinne halten musste, brauchten wir für die kurze Strecke von der Lorentz-Schleuse bis zur Insel Vlieland (13 Sm) über vier Stunden. Und der Kampf war noch nicht vorüber. Von dem Moment an, wo uns die Tonne 7 fröhlich hüpfend zuwinkte bis zur Einfahrt in den Hafen von Vlieland (Bild links, Mitte) hatten wir noch arg zu kämpfen, denn jetzt hatten wir die Strömung voll gegen uns. Jetzt wussten wir warum sich alle Boote, die aus der Schleuse fuhren so beeilt hatten! Die waren alle schlauer als wir Wattenmeer-Greenhorns..!
Auch die Ebbe hatte voll eingesetzt und die Handbreit Wasser unter dem Kiel war immer dünner geworden Und beim zurück schauen schauderte es mich immer noch ein bisschen, dass wir es – mit viel Vorhalt und Vollgas durch dieses Nadelöhr von Hafeneinfahrt geschafft hatten!
Nun lagen wir sicher vertäut am Steg und einem Ausflug ins Städtchen Stand nichts mehr im Wege. Und bei einem kurzen Umweg zum Aussichtspunkt der Insel konnten wir die schön und sicher gelegene Marina von Oben bewundern.
Vlieland war wirklich ein guter Tipp gewesen, danke Lennart!! Wir hatten die Qual der Wahl ob all der schönen Bars, Cafe’s und Restaurants im nahen Städtchen. Und zum Glück waren all die süssen kleinen Geschäfte schon zu, ich wäre mit Sicherheit einem Kaufrausch zum Opfer gefallen.
Am nächsten Morgen machen wir uns zeitig auf den Weg, um die auslaufende Strömung auszunutzen. Man lernt ja schliesslich dazu. Wir machten uns auf den Weg Richtung offenes Meer – sprich Nordsee. Nach einiger Zeit fiel uns auf, dass wir weit uns breit das einzige Boot waren, das unterwegs war. Einem unangenehmen Kribbeln im Nacken folgend stellten wir das Funkgerät besser ein. Und tatsächlich kam schon nach kurzer Zeit eine Gale Warnung für dieses Gebiet durch. “Strong winds of forces 8-10”.
Oops…da hatte die Greenhorn Crew wohl nicht aufgepasst beim Auslaufen. Wir beratschlagten hin- und her und nachdem sich das Wetter im Minutentakt verschlechterte, entschieden wir uns umzukehren. Unser Boot konnte zwar mit Starkwind fertig werden, aber es war uns nicht wohl in diesem Tidenlabyrinth. Jetzt hatten wir die starke Strömung halt wieder gegen uns aber wir wollten nur noch eines: zurück in den schützenden Hafen.
Als wir das Nadelöhr des Hafens passiert hatten, blies der Wind schon mit 50 Knoten und wir konnten uns nur dank Mithilfe von anderen Crews wieder seitwärts an unseren Platz einparkieren. Der Sturm brauste und toste jetzt mit voller Kraft und wir waren bis auf die Haut durchnässt. Allein hätten wir es wohl nicht geschafft, das Boot unbeschadet anzulegen.
Nachdem wir uns aus den nassen Sachen geschält und trockene Sachen angezogen hatten, konnten wir uns im Cockpit einen Anleger der unfreiwilligen Art gönnen. Frustriert wurde uns bewusst, dass uns dieser Sturm eine weitere Verzögerung bescheren würde. Inzwischen waren wir schon mehr als 14 Tage hinter der vom Skipper minutiös geplanten Törn Planung hinterher. Was für ein Frust!
Bei unserem anaschliessenden Einkaufs-Spaziergang fielen uns die Menschenmengen auf, die sich bei der Hafeneinfahrt versammelt hatten. Wir staunten nicht schlecht, als wir sahen das eine ganze Reihe holländischer Traditionsboote mit rauchenden Motoren versuchten, sich durch die enge Hafeneinfahrt im Hafen in Sicherheit zu bringen. Das war Nervenkitzel pur und das eine oder andere Schiff wurde unsanft gegen die Holzpfähle der Hafeneinfahrt geschleudert beim Abfallen.
Der Wind blies immer noch mit weit über 100 Stundenkilometer während sich der Hafen bald bis zum Bersten füllte. Mann, waren wir froh dass wir umgekehrt waren. Das Nachdenken darüber, wie es uns wohl auf der Nordsee ergangen wäre, sparte ich mir lieber.
Puh! Was für ein Tag! Schwein gehabt! Viel Glück hatte ich auch gehabt, dass ich nicht vom Skipper gelyncht wurde, als ich zum Dank an die hilfreichen Crews Bier kaufen ging und nicht bemerkte, dass es Alkohol-freies Bier war… 🙁 Zum Glück konnte ich umtauschen. Kann ja passieren…!
Am nächsten Morgen hatte sich die Situation beruhigt und wir konnten bei Hochwasser, guter Strömung und mit viel Rückwetterwind endlich in Richtung Nordsee segeln.
Leider liess auf dem Weg nach Norden der Wind immer mehr nach und wir mussten irgendwann die Segel streichen. Dafür schmeckte uns aber unser erstes Abendessen auf hoher See vorzüglich und wir genossen die friedliche Stimmung auf der Nordsee in vollen Zügen!
Und irgendwann lag Holland in unserem Kielwasser. Wir teilten unsere Wachen ein und fuhren in die Nacht. Morgen früh würden wir irgendwo an der Deutschen Küste sein…