Also das mit dem Katzensprung nach Capraia, das war so. Wir sind ja voller Elan aus der Bucht des Golfo di Procchio gestartet, haben Segel gesetzt und alles richtig gemacht. Aber da war die Sache mit dem Wind. Der hat sich wieder einmal mehr überhaupt nicht an die Vorhersage gehalten.
Angesagt gewesen war ein schöner Nord-Ostwind und der hätte uns mit einem schönen Halbwindkurs direkt nach Capraia geblasen, aber eben. Es wehte ein laues Lüftchen aus Nord-West, also genau wieder mal auf die Schnauze.
Zwei Wenden hielten wir mit Gennaker noch durch, aber dann warfen wir das Handtuch. Mit aufkreuzen gegen diesen Wind wäre es Mitternacht geworden, bis wir in Capraia hätten anlanden können. Wir hätten also im Dunkeln in einer unbekannten Bucht vor Anker gehen müssen. Und dazu hatten wir einfach keine Lust.
Also schnell umdisponiert und wir hatten Marciana Marina als nächstes Ziel im Visier. Und wir haben es nicht bereut. Die Marina war klein aber fein und das Städtchen selbst war ein Juwel.
Aber es war ordentlich heiss und die Schiffe in der Marina kramten noch die letzten Leintücher hervor, um ihre Crews vor der Hitze schützen zu können. Wir spannten unser Zeltdach auf und gut war’s.
Marciana Marina war aber noch aus einem anderen Grund attraktiv: von hier aus konnte man via Postauto zur Talstation der Cabinovia, einer Luftseilbahn gelangen, mit der man auf den höchsten Berg von Elba, dem Monte Capanne gelangen konnte. Das war’s! Ein Berg, von dem man die ganze Insel überblicken konnte. Da wollten wir rauf! Und das Wetter war ja perfekt…!
Also, schnell festes Schuhwerk an die Füsse, Pulli in den Sack und wir marschierten zur Postauto Haltestelle. Doch schon der Blick aus dem Postautofenster verhiess nichts Gutes…
Die Cabinovia aus dem Prospekt entpuppte sich als doch recht abenteuerliche Zwei-Personen Gondelbahn, die uns da im Schneckentempo Richtung Berggipfel schaufelte.
Und ich weiss nicht was es genau ist, wahrscheinlich mögen mich die Berge nicht weil ich sie nicht mag, aber es kam wie es kommen musste: Hundert Meter vor dem Berggipfel wurden wir von Hinten von einer windigen Wolkenwalze überrollt und die Bahn kam abrupt zu stehen.
Da hingen wir nun, schaukelnd, im kalten Wind und konnten nicht einmal mehr bis zur nächsten Gondel sehen. Das wäre doch eine Schlagzeile für den BLICK gewesen: „Schweizer Segler auf Elba abgestürzt!“ Aber so weit kam es doch nicht und bald bewegte sich die Bahn Millimeter für Millimeter weiter und wir schafften es, unbeschadet auszusteigen.
Tja, und das war’s was wir von dem im Prospekt versprochenen 360° Panorama sahen: Nix, Null, Nada. Zum Glück gab es hier Oben wenigstens einen Kiosk mit drei Tischchen, wo man sich drinnen einen Cappucchino genehmigen konnte. Und warten. Und noch ein bisschen warten…!
Und dann riss die dichte Wolkendecke immer mal wieder für einige Sekunden auf und man musste sich beeilen, wenigstens ein Foto machen zu können. Auf und zu, auf und zu und immer wieder einen Blick erhaschend, stiegen wir aber doch noch bis zum höchsten Punkt hinauf…
…und da bot sich uns dann dieser Blick: wir konnten links die Nordküste, in der Mitte die Ostküste und rechts einen Teil der Südküste sehen. Wie schön, dass sich die Mühe doch noch gelohnt hatte!
Nachdem ich alle möglichen Fotos geschossen hatte, fuhren wir wieder mit dem Bähnchen hinunter und liefen zu Fuss ins nahe Dorf Marciana. Dort schlenderten wir noch Trepp auf, Trepp ab durch die an einem steilen Hang gebauten Häuser. Und überhaupt schien das Dorf nur aus Treppen zu bestehen.
Es gab auch einen als Terrasse gebauten Dorfplatz, wo wir uns in einem der paar Restaurants eine Bruschetta und Weisswein aus der Gegend genehmigten. Und siehe da! Die bösen Wolken waren alle verschwunden und wir konnten die Aussicht ohne das störende graue Zeugs im Himmel geniessen. (Es muss an mir liegen).
Dann fuhren wir mit dem Postauto zurück nach Marciana Marina und zum Boot und schlenderten am Abend dann ins Dorf zum Abendessen.
In einer Bar hatten wir erst ein Apéro und später in einem der vielen Strassenlokalen noch eine feine Pizza.
Auch hier fühlte man sich wie in der Kulisse eines Fellini Films. Alles was Beine hatte, war auf den extra dafür gesperrten Strassen unterwegs, man plauderte, schaute, trank und ass. Es war schön, so richtig mitten im prallen Leben zu sein.
Und wer will schon schlafen, wenn die Luft warm wie ein Streicheln und der Himmel zum Anbeissen Süss ist!?!
Es gefiel uns so gut, dass wir noch eine Tag länger blieben. Wir wuschen und liessen noch Wäsche waschen und Max wagte sich noch zu einem lokalen Figaro, der ihm einen Heisswetter-Haarschnitt verpasste. Ob die Möwe ob Max’ neuer Frisur so staunte oder ob sie es eher auf unsere Apéro-Köstlichkeiten abgesehen hatte, entzieht sich meiner Kenntnis.
Am nächsten Tag verliessen wir den hübschen Ort und machten uns wieder auf den Weg Richtung Capraia. Eigentlich hatte der Wetterbericht gut ausgesehen, aber der Wind hielt sich wieder einmal mehr nicht an die ihm vom Wetterdienst vorgegebenen Daten
Kaum waren wir über die Hafenmole hinaus, wehte er uns als laues Lüftchen um die Wanten. Kein Problem, Speedy-Geni würde es schon richten. Und der holte auch wirklich das allerbeste aus den wenigen Knoten Wind heraus, aber dann fing der Wind an zu drehen…
…und wir waren wieder gleich weit wie vor zwei Tagen. Der Wind kam wieder aus der Richtung in die wir eigentlich wollten. Ausserdem hatte sich über der Insel Capraia eine dichte Wolke gemütlich eingerichtet.
Plötzlich erschien uns unser Wunschziel nicht mehr gar so begehrenswert. Was gab es für Alternativen? Wir könnten nach Bastia segeln oder es noch einmal in der Bucht von Pomonte mit kurz ankern und Wrack schnorcheln versuchen und dann in der Bucht von Fetovaia unsere Umrundung der Insel Elba abschliessen.
Tja, und gewonnen hat Bastia. Die Aussicht, wieder einmal frische Baguette vom Boulangier gleich beim Hafen zum Frühstück zu haben, war einfach zu verlockend. Also legten wir „Hip Hip Hurra“ einen neuen Kurs an, der uns auch direkt nach Baguette, äh Bastia geführt hätte. Hmtja.
Der Wind wurde immer schwächer und auch Speedy-Geni vermochte nicht so recht Geschwindigkeit zu produzieren. Geschwindigkeit, die es gebraucht hätte, um noch bei Tag In Korsika anzukommen. Und auch die komischen Wolken über Korsika verhiessen nichts Gutes.
Schweren Herzens legten wir wieder neuen Kurs an und diesmal reichte der Wind und er kam praktischerweise sogar von Hinten.
Schon bald kam unser neues Ziel, die Bucht von Pomonte in Sicht. Diesmal sollte es klappen mit dem Wrack schnorcheln. Wir holten den Gennaker ein und als wir uns in den Wind drehten, um das Grossegel zu bergen, pfiff uns der Wind mir über 30 Knoten um die Wanten.
Hoppla, das war knapp gewesen. Das hätte böse enden können für den Gennaker. Das Stöffchen verträgt keine 30 Knoten. Aber mit dem Anker in der Bucht und gemütlich schnorcheln war jetzt auch nix mehr. Wir beratschlagten kurz, ob wir trotzdem ankern sollten und jeweils nur einer schnorcheln gehen würde, während der andere auf’s Schiff schaut oder ob wir es am nächsten Tag noch mal versuchen sollten. Wir entschieden uns für Letzteres.
Und so holten wir das Vorsegel hervor und liessen uns von dem mittlerweile stürmischen Wind in die Cala Fetovaia ziehen, wo wir Anker warfen. Somit hatten wir also die Umrundung der Insel Elba – eher unfreiwillig – abgeschlossen.
Es wurde ein gemütlicher Abend und es gab Käpn’s Dinner, lokalen Weisswein und eine Ankerbucht mit Vollmond als Hintergrund. Das machte unseren Frust über unser Scheitern, die Insel Capraia auch noch zu besuchen bald vergessen.
Der (Fast) Vollmond war zwar ein wenig weichgezeichnet, aber wir genossen den schönen Abend trotzdem.
Am nächsten Morgen bot sich uns dann dieses Bild. Die Störung, die wir über Korsika gesehen hatten, war zu einem ordentlichen Sturm angewachsen und wir waren froh, dass wir nicht in Baguette/Bastia waren.
Und wir hatten uns entschieden, am nächsten Tag ans Italienische Festland zu segeln. Batterien, Tanks und Schapps waren inzwischen fast leer. So lange hatten wir am Anker gehangen. Und da wollten wir alles wieder einmal in einer Marina aufladen.
Und so blieben wir wo wir waren, arbeiteten, kreierten Drinks und sahen dem Treiben in der Ankerbucht zu. Badegäste hatte es nicht viele, aber bei den Booten war es ein stetiges Kommen und Gehen. Und gegen Abend hat sich der Regen noch mit einem schönen Regenbogen bei den Ankerliegern für die Unpässlichkeiten des Tages entschuldigt.
Da wir ja nicht mehr allzu viele Frischwaren auf dem Schiff hatten entschlossen wir uns, wieder in der Trattotia Barbatoia Pizza essen zu gehen. Und auch die waren wieder frisch und fein. Und das Abendrot war ganz «Drama».
Und noch einen Vorteil hatte der Regen gehabt: unser Boot (inkl. Speedy-Geni) war wieder sauber gewaschen…!
So, und am nächsten Tag ging das (Jammer) Spiel von vorne los. Erst unter Segeln aus der Ankerbucht raus, dann Vorsegel weggepackt und Gennaker angeschlagen -der nur irritiert um die Wanten flatterte, dann ging’s flott voran bis es dem Geni zu viel wurde, also Geni wieder runter und Vorsegel wieder hoch.
So hangelten wir uns von einem Winddreher zum nächsten. Dann gings wieder flott voran mit Wind schön von Hinten, nur die Wellen wurden immer grösser und lästiger.
Ein Blick zurück und wir konnten uns noch von Elba, Montechristo und Pianosa verabschieden. Montechristo und Pianosa hatten wir zwar nicht anlaufen können, da sie unter strengem Naturschutz stehen, aber immerhin dran vorbei geschrammt waren wir.
Vor uns lag eines unserer nächsten Ziele: Giglio. Aber das würden wir uns für später aufsparen. Erst galt es, alle Tanks und Schapps wieder zu füllen und das ging auf dem Festland sicher besser als auf einer so kleinen Insel.
Inzwischen waren die Wellen so heftig geworden und der Wind so stark, dass wir das Vorsegel wegpackten und nur mit dem Grossegel weitersegelten. Schnell waren wir auch mit einem Segel und es war angenehmer, nicht ständig das wild umschlagende Vorsegel zu quälen.
Wir segelten in den Abend hinein und alles war perfekt. Wir wurden für die Schinderei am Anfang vollumfänglich entschädigt.
Und das war unser Tagesziel: Porto San Stefano. Und zum ersten mal erreichte AnnaSophie einen Italienischen Festland-Hafen. Bisher hatten wir nur italienische Inseln besegelt.
Da es schon bald dunkel war, probierten wir es erst mal im Porto del Valle. Ich rief also die Capitaneria via Funk auf. Die verwiesen mich aber nur arrogant an eine Telefonnummer. In der Zwischenzeit hatten wir das Hafenbecken erreicht und kreisten nun wie ein angeschossener Vogel im Hafenbecken herum – sehr zur Verwunderung der Fischen auf der Mole – bis wir Bleistift und Papier zur Hand hatten. Ich schrieb die Telefonnummer auf an die wir uns wenden sollten. Wir riefen dort an und dort wurde uns gesagt, dass es in der Marina keinen Platz mehr habe.
Was nun?! Was hatten wir für Optionen? Wir waren müde und es war spät.
Wir hörten mit dem Kreisen auf und verliessen die Marina del Valle. Erst spielten wir mit dem Gedanken, uns einfach vor dem Hafen an den Anker zu schmeissen. Aber der Schwell liess uns diese Option schnell wieder verwerfen.
Dann kam uns die Idee, dass wir es ja mal im Porto Vecchio von San Stefano versuchen könnten. Also fuhren wir die paar Hundert Meter in die Innenstadt, wo offenbar noch viel Platz frei war. Ein Marinero der uns hätte einen Platz zuweisen können, war keiner mehr da und so schmissen wir uns einfach zwischen zwei Superyachten an die Mole. Schnell noch Boot abschliessen und ab in die nächste Bar. Und die war nur ein paar Schritte von unserem Bugkorb entfernt.
Ein Boot zu haben war schon praktisch. So nahe am Nachtleben konnte man nicht mal mit dem Auto parkieren. Und auch der Mond grinste noch verschmitzt hinter der Stadt hervor. Ja, manchmal war das Leben voller Überraschungen…!