So, das war es also. Das Tor zum Ärmelkanal. Das ist die Ausfahrt aus dem Hafen von Dunkerque. Und gleich um die Ecke ging die Post ab!
In der Nacht hatte es noch geheult und gestürmt und im Pyjama mussten wir die Fender umsetzen weil der Wind um 180° gedreht hatte. Und auch am Morgen hatte ich noch so meine Bedenken, ob es wohl ratsam war, die Überfahrt zu wagen. Grau und stürmisch war es. Deshalb checkten wir die Wettervorhersagen doppelt und dreifach. Aber das Ergebnis war immer das Gleiche: Wolkig bis Sonnig, Wind aus Nord-Nordwest, Stärke 3-5. Beste Verhältnisse also.
Na dann Leinen los und weg. Kurz nach neun bogen wir beim Leuchtturm um die Ecke und legten Kurs an Richtung Dover, zuerst noch vorsichtig mit verkleinertem Grosssegel, dann mit vollem Tuch.
Der Wind kam wie versprochen aus Nord-Nordwest, war aber einiges stärker als vorhergesagt. Und so sausten wir bei Stärke 6-7 bei perfekten Verhältnissen über den Ärmelkanal. Einfach unglaublich.
Nettes Plätzchen für ein Nickerchen, gell?! Aber so richtig ausruhen lag definitiv nicht drin. Es war viel los auf dem „Channel“. Vor allem Fähren, Fähren, Fähren. Von allen Seiten. Und wir mitten drin.
Dann gab es auch noch die richtungsgetrennte Frachter Autobahn zu queren…
Immer wieder ein kribbeliges Gefühl, wenn man Tausende von Bruttoregistertonnen auf sich zubrausen sieht. Aber das AIS (Automatic Identification System) gab uns zumindest das Gefühl, selbst von den grössten Schiffen gesehen zu werden. Und wir waren eh immer sehr vorsichtig und gingen lieber früh aus dem Weg.
Zwischendrin mussten wir natürlich – ganz wichtig!! – die Gastlandflagge wechseln…
Und wir staunten, wie schnell die weissen Felsen von Dover am Horizont auftauchten!! Aber kein Wunder, bei dem Tempo…
Und um halb vier hatten wir die Hafeneinfahrt von Dover erreicht. Vorsichtig näherten wir uns an und starteten via Funk eine Anfrage für die Einfahrt in den Hafen. Das war hier Vorschrift, denn der Fährverkehr war hier immens. Doch wir mussten nicht lange warten und wurden gebeten, die westliche Einfahrt zu benützen und uns von den Fähren freizuhalten.
Nach einigen spannenden Momenten beim Segel bergen im meterhohen Rückwasser von drei Fähren, hatten wir es geschafft. Kurz vor vier lagen wir schon sicher vertäut im Granville Dock in der Marina von Dover.
Wir hatten die Strecke über den Kanal in sechs Stunden und vierzig Minuten bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 6.5 Knoten (ca. 12 Km/h), inklusiver An- und Ablegen und waren dabei 91% gesegelt. Noch Fragen…?
Den folgenden Tag verbrachten wir mit Einkaufen, Brot backen (wir sind keine Fans von englischem Brot) Schiff putzen. Ausserdem fanden wir doch noch ein hübsches Pub ganz in der Nähe des Hafens. Und so beschlossen wir spontan, hier zu essen.
Auch diskutierten wir, wohin es als nächstes gehen sollte. Erst hatten wir vor, in Brighton den nächsten Zwischenstopp zu machen. Aber da wir beide schon mal in Brighton (Unabhängig voneinander und ohne Boot) gewesen waren, beschlossen wir, durchzufahren bis Portsmouth. Dann klärten wir ab, wann der beste Zeitpunkt für das Auslaufen war, denn das Gezeitentor der Marina stand nur bei Flut offen.
Auch war zu klären, wann der beste Zeitpunkt war, um die starke Strömung im Ärmelkanal am besten auszunutzen. Denn gegen 3-4 Knoten Strömung zu segeln war so gut wie Sinnlos. Die nette Angestellte im Hafenbüro meinte dazu nur lakonisch, dass wir bei dem weiten Weg eh nicht um Gegenströmung herum kommen würden. Wir könnten es uns höchstens noch aussuchen, ob wir am Anfang oder am Ende der Strecke leiden wollten.
Und so beschlossen wir, uns nach Mitternacht auf den Weg zu machen. Um halb zwei schlichen wir uns so leise wie möglich aus der Marina und mussten halt in Gottes Namen erst mal unter Motor gegen die starke Strömung ankämpfen.
Bei Sonnenaufgang wurde es dann aber besser und es kam schöner Wind auf und wir kamen gut voran.
Aber irgendwann war die Glückssträhne vorbei und wir dümpelten durch eine Flaute. Ärgerlich? Nicht unbedingt. Das war DIE Gelegenheit für ein ausgiebiges Frühstück…
Dann kam wieder ein bisschen Wind auf. Aber inzwischen hatte auch die Strömung wieder umgekehrt und wir kämpften uns am Beachy Head vorbei. Aber wir waren offenbar nicht die Einzigen…
Und so gegen Abend gab’s dann noch mal so richtig die Hucke voll. Wir rasten mit Vollgas durch aufgewühltes Wasser und wurden von der Strömung so richtig unserem Ziel entgegen geschoben.
Und bei Sonnenuntergang konnten wir dann den Anblick der aussergewöhnlichen Skyline von Portsmouth und die herrliche Stimmung um uns herum geniessen. Das hatten wir uns redlich verdient heute!!
Um 22:45 Uhr lagen wir sicher vertäut in der Haslar Marina und um 22:46 Uhr lagen wir komatös in unseren Betten.